Menschwerdung

The Arnold mutierte vom Barbaren Conan zum tangotanzenden Spion und Daddy Cool im Dienste des Präsidenten  ■ Von Mariam Niroumand

„Je mehr Kontakt ich zu Menschen habe, desto mehr kann ich lernen“, sagte Killer Cyborg Arnold Schwarzenegger in einem bedächtigen Moment von „Terminator 2 – Judgement Day“. In der Tat ist die Metamorphose von „Conan the Barbarian“ über den „Kindergarten Cop“ und die Rehabilitation des Cyborg Killers zum Retter des Messias die mit Abstand bemerkenswerteste Immigranten- Karriere, die Hollywood seit langem erlebt hat. The Arnold, Multimillionär, steht an achter Stelle (als erster Schauspieler) von Entertainments Weekly's Skala der „101 Power People“. Nachdem er zwölf Millionen Dollar für seinen Auftritt im „Kindergarten Cop“ erhalten hatte, ernannte ihn George Bush, für den er ebenso heftig Wahlkampf betrieb wie für dessen Vorgänger Ronald Reagan, zum Leiter des Präsidentenstabs für Sport und Körperertüchtigung. Seine Gage für „Terminator 2“, kostenmäßig der „Spartacus“ unserer Tage, bestand nicht nur in 15 Millionen Dollar, sondern auch in einem G-III-Jet.

Der Mann aus Thal in der Steiermark gehört zu den wenigen Hollywood-Immigranten, die ihren Namen nicht anglisieren ließen. Arnold ist schon nicht ohne, aber „Schwarzenegger“ hört sich, amerikanisch ausgesprochen, praktisch wie eine Obszönität an. Seine Eltern wollten, daß er Skifahrer oder Fußballer wird, aber der Arnold wurde Bodybuilder, um nach Amerika gehen zu können. Einer seiner ersten Filme, „Pumping Iron“ von 1977, ist quasi die Startmarkierung zum Absprung in den amerikanischen Traum.

„Conan the Barbarian“ von John Milius machte ihn dann als den Mann bekannt, der mit bloßen Händen Gorillas würgt, Pferde k.o. schlägt und Kamele herumträgt – der Kampf des Homo erectus gegen die unmittelbar benachbarte Spezies, zugleich aber auch der Aufgang des Immigranten-Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unamerikanisiertheit. In „Twins“, also schon nach dem ersten Terminator, landet er als Trottel in Bermudas in der Neuen Welt, und muß erst von seinem Bruder Danny DeVito aufgeklärt werden, was geht und was nicht. Während der Jahre später gedrehte „Predator“ noch in die gleiche Richtung lief, etablierte der „Terminator“ dann die Maschinewerdung des Arnold.

Klar, daß dieser Schritt in den Siebzigern noch undenkbar gewesen wäre, von den Sechzigern gar nicht zu reden. Dem mußte erst der Fitness-Wahn, die Behandlung des Künstler-Körpers als bildhauerisches Material, der kleine Hauch von Nietzsche in Body-Art vorausgehen. Ohne jetzt schon wieder mit Splatter kommen zu wollen, war natürlich die stählerne Epidermis des Cyborg Killers ohne die Body- Horror-Filme der Siebziger nicht denkbar.

Mit Schwarzenegger kehrte das Kintopp auch so ein bißchen dahin zurück, wo es hergekommen war: auf den Jahrmarkt. Der menschliche Körper als ausgemessener, finanziell evaluierter Special Effect. Und nicht nur sein Körper: altertümliche Ideen von „Persönlichkeitsstruktur“ und Geschichte und so weiter warf das Arnold mit „Total Recall“ auf den Müllhaufen des 19. Jahrhunderts, mit Freud und Marx, aber natürlich ohne Nietzsche, den hat er behalten.

Damit keine Irrtümer aufkommen: „ohne Marx“ heißt auch, es ging dabei nicht um ein proletarisches Ideal; dieser Platz war von Stallone besetzt, dem Loser, der immer noch an Vietnam leidet (und der Arnolds Liebe zu ihm nie erwidert hat, obwohl die sich regelrecht in finanzieller Unterstützung geflopter Filmprojekte bemerkbar machte). Wie man spätestens an seinem neuesten Film „True Lies“ sieht, hat The Arnold keine Probleme mit dem Staat. Auch wenn sein flüssigmetallener Gegenspieler im „Terminator 2“ sich flugs einem Polizisten anverwandeln konnte, gilt doch für Arnold selbst: „Meine Beziehung zu Macht und Autorität ist: I'm all for it! Die Leute brauchen jemanden, der sie beschützt und der ihnen sagt, was sie machen sollen. 95 Prozent aller Menschen auf der Welt wissen nicht, was sie machen und wie sie sich verhalten sollen.“

Dann wieder spendete er, der sich noch immer weigert, Akteneinsicht in die Unterlagen seines Vaters im Berlin Document Center zu gewähren, 250.000 Dollar für das Simon-Wiesenthal-Center in Los Angeles, welches bekanntlich das Holocaust-Museum Marke Disneyland beherbergt, welches zum Dank wiederum einen Empfang gab, auf dem Arnolds Einsatz für Sport und Fitness gewürdigt wurde. Bei eben jener Gelegenheit war es auch, daß Holocaust-Überlebende in Anwesenheit prunkender Marine-Offiziere eine Flagge hereintrugen, die von Mauthausen-Häftlingen heimlich zusammengenäht worden war. Kurze Zeit später gab Variety bekannt, daß Schwarzenegger vorhabe, für den Posten des kalifornischen Gouverneurs zu kandidieren – was sich natürlich trefflich zu seiner Heirat mit der Kennedy-Erbin Maria Shriver fügen würde.

Interessanterweise mußte er, wie der New Yorker Filmkritiker Jim Hoberman berichtet, zeitweise Anmutungen ob seiner sexuellen Orientierung beruhigen: In „Stay Hungry“, dem ersten wichtigen Film, in dem er eine größere Rolle spielt, fragt eine Frau, ob sein Protagonist schwul ist. Ausgerechnet dieses Stück wurde dann im „Kindergarten Cop“ noch einmal ausgebuddelt. Daß er natürlich dennoch „a man's man“ blieb, daran konnte kaum zweifeln, wer ihn sich der verschiedenen Frauen entledigen sah, die seinen Weg pflasterten (nicht nur die Messias-Mutter im „Terminator“, sondern auch die verräterische Sharon Stone in „Total Recall“, der er sagt: „Betrachte dies als Scheidung: peng!“).

Während er es auch in „Terminator 2“ nicht so recht schaffte, mit der wiedergekehrten Dame ins Gespräch zu kommen, etablierte er sich da immerhin als guter Dad. In „True Lies“ nun kann er sich waschen, ohne sich den Pelz naß zu machen: Er ist biederer Familienvater und Agent im Dienste des Präsidenten in einer imposanten Person. Das eigentliche Paar dieses Films bleiben weiterhin zwei Männer: Der Regisseur James Cameron („Alien“, „The Abyss“, „Terminator 2“), der seine Crew gerne per Megaphon „fuck-ups“ nennt und als „The Fuehrer“ unter den Action-Regisseuren gehandelt wird, und eben The Arnold, ohne den ein Budget von 100 Millionen Dollar mit 2.000 Mitarbeitern wohl kaum zustande gekommen wäre.

Wie seit dem „Terminator“ üblich, ersteht Arnold aus dem Nichts, ist plötzlich da, keine Geschichte, nur ein Zustand, und zwar diesmal ein 007-artiger. Im Smoking stolziert er, sechs Sprachen mit österreichischem Akzent höflich nach allen Seiten sprechend, directamente durch die Waffenschieber-Party mit schöner Kunsthändlerin in den ersten Stock, wo sich die Software befindet, die Conan den Barbaren noch völlig überfordert hätte. The Arnold der Neunziger als Harry Taskel weiß, damit zu spielen, wie er auch mit der Schönen Tango zu tanzen weiß, die sich später als höchst verwoben mit den arabischen Terroristen erweist. Auf der Flucht „knackt er Frauenherzen, Doberman-Schädel und Computercodes“ (Cinema), um anschließend im gestreiften Pyjama zu seiner Frau Helen (Jamie Lee Curtis) ins Bett zu sinken, in dem sich seit Jahrtausenden nichts mehr ereignet hat, so langweilig ist Harry.

Die arabischen Terroristen haben die Bombe und wollen sie zünden. Ihre hakennasigen, glubschäugigen Porträts wären eines Hippler würdig gewesen und sollten als „Der ewige Arab“ in die Filmgeschichte eingehen. Aber Arnold ist, wie wir wissen, auch ewig (das „I'll be back“ ist längst im Splatterfilm als Gag angekommen) und so bleibt es beim „no pasaran“: Der teure Countdown, hergestellt nicht auf Blue Screen, sondern mit einem komplizierten Gemisch aus Computeranimation, Studioaufnahmen und Hubschrauber-Bildern vom Originalschauplatz, findet auf einer stillgelegten Strecke zwischen Miami und Key West statt. Arnold folgt den Terroristen, die seine Frau haben, in einem Helicopter, während die Armee den arabischen Bombentransporter in echten Harrier-Jets plus Raketen verfolgt und unschädlich macht.

Wirklich bedrückend an der ganzen Angelegenheit ist nur der gnadenlose Untergang von Jamie Lee Curtis, die man als witzig, schönmundig und schlagfertig aus „Ein Fisch namens Wanda“ in Erinnerung hatte. Hier gibt sie eine treue Hausfrau, die kurzzeitig einem sympathischen Heiratsschwindler Simon verfällt, der ihr sein Leben mit Agentenstories schmackhaft macht. Als es zum Ehebruch kommen soll, den sie natürlich nur für ihr Vaterland begehen will, bricht Arnold Mogadischu-förmig und maskiert ein und setzt sie in eine Verhörzelle hinter eine Einwegscheibe, wo er sie, mit verstellter Stimme, in einem Verhör über ihr Eheleben schließlich zwingt, ihm ihre Liebe zu erklären. Pappa wäre ganz sicher stolz auf ihn gewesen für dieses Verhör. Wie stolz Curtis war, nachdem sie eine Nummer als Hotel-Prostituierte vor einem im Dunkeln sitzenden Arnold abziehen mußte, läßt sich schwer sagen. Die Szene jedenfalls, in der sie ein MG in die Hand nimmt, kann sie nicht besonders beglückt haben: Das Teil knattert ihr, wie der Kinderwagen im „Panzerkreuzer Potemkin“, aus der Hand, die Treppe hinunter Stufe für Stufe, und erledigt dabei die Ratten-Araber Mann für Mann.

„True Lies“, Regie: James Cameron. Buch: James Cameron, nach der französischen Vorlage „La Totale“. Kamera: Russell Carpenter. Mit: Arnold Schwarzenegger, Jamie Lee Curtis, Tom Arnold, Bill Paxton, Art Malik, Tia Carrere.