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■ Das PortraitJacques Vergès

„Carlos ist ein Ehrenmann, ein Mann von Mut und Kühnheit, ein wahrer Politiker“, schwärmte Maitre Jacques Vergès Anfang der 80er Jahre von dem damals weltweit gesuchten Topterroristen. Am Dienstag dieser Woche übernahm Frankreichs Staranwalt die Verteidigung des in die Hände der Pariser Justiz geratenen „Ehrenmannes“, dem zahlreiche Entführungen, Attentate und Morde vorgeworfen werden. Wie bei Vergès üblich soll es ein „politisches Verfahren“ geben, eines, bei dem der Staat Frankreich auf die Anklagebank kommt.

In dieser Disziplin bringt der scharfzüngige Mittsechziger Vergès mehr Erfahrung mit als jeder andere. Wann immer spektakuläre Fälle anstanden, war er zur Stelle: Er vertrat algerische Unabhängigkeitskämpfer, palästinensische, französische und deutsche TerroristInnen (darunter 1982 die Waffenkurierin Magdalena Kopp, die später Carlos ehelichte) und verteidigte 1987 den „Schlächter von Lyon“, Gestapo-Chef Klaus Barbie. Vergès' Verteidigungsstrategie damals: der Vergleich der Kolonialverbrechen mit denen der Nazis. „Die französische Armee hat in Algerien weitaus schlimmere Verbrechen begangen als die Deutsche Wehrmacht in Frankreich“, sagte er.

Seine Kindheit verbrachte Vergès auf La Réunion im Indischen Ozean. Dorthin hatte es die Familie verschlagen, nachdem der Vater wegen seiner Ehe mit einer Vietnamesin aus dem französischen Kolonialdienst ausscheiden mußte. Auf La Réunion gründete Vergès senior Carlos' AnwaltFoto: Reuter

auch die Kommunistische Partei, in der sein Sohn es später bis zum Jugendsekretär brachte, bevor er ihr 1957 den Rücken kehrte.

Zu Vergès' berühmten Freunden zählen der Chef der kambodschanischen Roten Khmer, Pol Pot, der algerische Unabhängigkeitskämpfer Ahmet Ben Bella und der chinesische Revolutionär Mao Tse-tung, bei dem Vergès auf seiner Hochzeitsreise Station machte. Seine Braut Djamila, eine maghrebinische Bombenlegerin, hatte Vergès zunächst als Mandantin kennengelernt. Nach dem Unabhängigkeitskrieg zogen die beiden nach Algier, wo Vergès zum Mitglied des Politbüros der Einheitspartei FLN avancierte. In seiner Zeitschrift Révolution propagierte er den bewaffneten Kampf in den „Metropolen“.

1970 tauchte Vergès für acht Jahre ab. Legendenbildner vermuteten ihn mal in Havanna, mal in Moskau, mal in Aden. Der Staranwalt verriet später nur: „Ich bin kampferprobt und optimistisch zurückgekehrt.“ dora

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