: Börsenmakler im Zinsglück
■ US-Notenbank erhöht ihre Leitzinsen um ein halbes Prozent und beruhigt damit weltweit die nervösen Aktien- und Devisenhändler / Ölpreis in New York gestiegen
Berlin/New York (taz/dpa) – Alan Greenspan, Chef der US-Notenbank „Federal Reserve“ (Fed), liebt – anders als seine trippelnden Kollegen von der deutschen Bundesbank – große Schritte. Gleich um ein halbes Prozent hat die Fed am Dienstag ihre Leitzinsen heraufgesetzt und damit die Händler auf den Aktien- und Devisenmärkten rund um die Welt beglückt. In Frankfurt stiegen gestern die Aktienkurse, der Deutsche Aktien Index (DAX) notierte mit 2.162,29 um 19,15 Punkte höher als am Vortag.
Der unerwartet große Zinsschritt nahm den Devisen- und Aktienhändlern die Angst vor einer Inflation in der größten Wirtschaftsnation USA. Das Wirtschaftswachstum mit fast vier Prozent jährlich wird vielen Experten nämlich langsam unheimlich. Sie fürchten, daß, angeheizt durch immer höhere Wachstumszahlen, letztlich zuviel Geld investiert wird, das dann durch den Verkauf der mehr produzierten Waren nicht wieder eingespielt werden kann: Der Boom würde in sich zusammenfallen wie ein Strohfeuer, die Inflation steigen. Die jetzt höheren Zinsen dürften die übergroße Investitionsfreude und damit die Inflation bremsen. Dadurch wirkte die Zinserhöhung beruhigend auf die in den vergangenen Wochen recht nervösen Börsenmakler.
Seit Dienstag abend sehen sie darum nur das Positive: Stabile Wachstumsraten in den USA und Europa, gute Verdienstmöglichkeiten auch für Industrieunternehmen, weshalb erwartungsfroh die Aktienkurse weltweit stiegen. So begründete auch Bruce Bittles von der Investmentbank J.C. Bradford & Co. in Memphis die Marktreaktion: „Die Zinserhöhungen helfen, die Wirtschaft abzukühlen, und verhindern eine weitere Zunahme des Inflationsdrucks.“ Dies sei gleichermaßen gut für Aktien- und Kapitalmärkte, meinte er.
In den USA wurde die Zinserhöhung allerdings auch, vor allem von demokratischen Politikern, kritisiert: Sie würde das Wirtschaftswachstum zu sehr abwürgen und damit Arbeitsplätze vernichten. Das Wallstreet Journal vermutet, daß die Fed deshalb jetzt einen so großen Zinsschritt machte, um ihre Politik aus den US-Wahlkämpfen nach der Sommerpause herauszuhalten.
Die Fed hatte die Tagesgeldzinsen von 4,25 auf 4,75 Prozent und den Diskontsatz von 3,5 auf vier Prozent erhöht. Die Banken verteuerten sofort die Vorzugszinsen (Prime Rate) um 0,5 auf 7,75 Prozent. An diesem Eckzins orientieren sich viele andere Kreditzinsen.
Der Dow-Jones-Index für 30 Industrieaktien, das bekannteste US- Börsenbarometer, ist an der New Yorker Börse um 24,28 auf 3 784,57 Punkte in die Höhe geschossen, obwohl steigende Zinsen normalerweise die Aktienmärkte belasten, weil es sich dann eher rentiert, Geld kurzfristig auf Festgeldkonten zu bunkern, anstatt in Unternehmensanteilen anzulegen.
Der Dollar konnte sich ebenfalls erholen und lag gestern in Frankfurt bei 1,5608 Mark, nach 1,5575 DM am Dienstag. Höhere US-Zinsen verringern die Zinsdifferenz zu Europa und könnten somit dem Dollar eine Stütze bieten.
Die Rohölpreise brachen hingegegen ein, weil höhere US-Zinsen eine Bremswirkung auf die Konjunktur und damit den Ölverbrauch haben dürften. Leichtes Rohöl sackte deshalb in New York um 0,47 auf 17,73 Dollar je Barrel (159 Liter) auf den niedrigsten Stand seit drei Monaten ab.
Die US-Notenbank hat seit Februar die Tagesgeldzinsen fünfmal um insgesamt 1,75 Prozent erhöht. Der Diskontsatz ist zweimal um jeweils ein halbes Prozent aufgestockt worden. Die Prime Rate ist dreimal erhöht worden und ist dabei um 1,5 Prozent gestiegen. Entsprechend stark sind in diesem Jahr auch die anderen amerikanischen Geld- und Kapitalmarktzinsen in die Höhe gegangen. Donata Riedel
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