„Dioxin-Suppe auslöffeln“

■ Abfälle aus der PVC-Produktion sind dioxinverseucht / Greenpeace demonstriert gegen ICI und erstattet Strafanzeige

Berlin (taz) – Nicht nur bei der Verbrennung von PVC entstehen Dioxine, sondern offenbar auch bei der Herstellung. Gestern luden Greenpeacler zusammen mit einer „Bürgerinitiative gegen Giftmüll“ dioxinverseuchte Produktionsschlämme vor der Frankfurter Zentrale des Chemiekonzerns ICI ab. Auf Transparenten forderten sie neben einem gedeckten Tisch „ICI – Löffelt die Dioxinbrühe aus, die ihr uns eingebrockt habt!“ Die Schlämme stammen aus einer Vertragsdeponie von ICI im nordrhein-westfälischen Ochtrup.

Greenpeace geht seit 1992 Hinweisen nach, daß bei der von allen sieben deutschen PVC-Herstellern verwendeten Produktionsmethode Dioxine freigesetzt werden. ICI Deutschland, Tochter eines britischen Multis, produziert in Wilhelmshafen PVC. Im März dieses Jahres bestätigte das niedersächsische Umweltministerium den Verdacht: Bei Messungen wurden pro Kilogramm ICI-Klärschlamm 400.000 Nanogramm (Milliardstel Gramm) des Sevesogiftes Dioxin gefunden, fast tausendmal soviel wie nach der Dioxinkatastrophe von Seveso in der sogenannten Todeszone.

Bis zum Bekanntwerden der Untersuchung wurde der Giftmüll in Ochtrup in einer privat betriebenen Deponie abgeladen, die dafür nicht zugelassen ist. 3.400 Tonnen lagern inzwischen in der Deponie, die nicht einmal mit Folien nach unten abgedichtet ist – und setzen langsam Dioxin-Abbauprodukte und andere giftige chlororganische Verbindungen frei, wie Greenpeace-Untersuchungen des Sickerwassers ergaben.

Von der zuständigen Bezirksregierung in Münster veranlaßte Untersuchungen bestätigten die starke Dioxinbelastung. Doch seien die Schlämme so in die Deponie eingebaut, daß keine unmittelbare Gefahr für das Grundwasser bestehe, sagte der Erste Beigeordnete der Gemeinde Ochtrup, Reinhard Nordhoff. Was mittelfristig geschehen muß, um eine Gefährdung auszuschließen, hänge von der noch laufenden Auswertung der Untersuchungen ab.

ICI jedenfalls fühlt sich nicht dafür verantwortlich, die giftigen Schlämme zurückzunehmen oder für die Sanierung der Deponie zu zahlen, teilte die Geschäftsführung gestern dem Greenpeace-Chemieexperten Manfred Krautter mit. Bis vor wenigen Wochen hatte ICI standhaft behauptet, von Dioxin in den Produktionsabfällen nichts zu wissen. Bis dann der Prokurist der Firma, Hans-Peter Kramer in einem WDR-Interview plötzlich das Gegenteil zugab. Krautter geht daher davon aus, daß die ICI-Geschäftsleitung vorsätzlich handelte, als sie die Abfälle fälschlich als Galvanikschlämme deklarierte. Greenpeace erstattete deswegen, genauso wie der Regierungspräsident vn Münster, Strafanzeige gegen ICI. Eine weitere Anzeige richtet sich gegen die derzeitige ICI-Methode, mit den giftigen Schlämme umzugehen. Diese stehen nun in inzwischen 40 Containern ungesichert auf dem Werksgelände herum. Die Menge wächst täglich. Nicola Liebert