: „Medizinisch können wir gar nicht viel tun“
■ Der 31jährige Berliner Arzt Volker Hallanzy gehört zu der zweiten Gruppe von HelferInnen, die mit der Organisation Care für vierzehn Tage nach Ruanda gehen werden
taz: Was bewegt einen Arzt, freiwillig nach Ruanda zu gehen?
Hallanzy: Ich bin durch die Berichte und Aufforderungen im Fernsehen aufmerksam geworden, und da ich im Moment als Arzt im Praktikum auf Stellensuche bin und Zeit habe, habe ich mich direkt für die Hilfsaktion beworben.
Das ist ja nicht unbedingt selbstverständlich.
Selbstverständlich vielleicht nicht. Natürlich könnte man auch weiterhin hier schön an sicherem Ort sitzen. Aber von meiner gesamten Grundeinstellung her möchte ich anderen helfen, sonst hätte ich nicht Medizin studiert. Ich hätte mich sicher schon früher an solchen Hilfseinsätzen beteiligt, wenn ich nicht verheiratet wäre und Kinder hätte. Ein halbes Jahr oder länger fortzugehen wäre da schon schwierig.
Innerhalb von kurzer Zeit haben sich 6.200 ÄrztInnen und KrankenpflegerInnen für den Einsatz in Ruanda gemeldet. Wie erklären Sie sich diese Welle von Hilfsbereitschaft?
Es gibt ja nicht nur die Hilfsbereitschaft der Ärzte, sondern auch großzügige Spenden für Ruanda. Ich glaube, das liegt daran, wie die Medien das präsentieren. Sie berichten eben sehr viel intensiver darüber als über andere Krisen. Mich persönlich hat Ruanda nicht mehr angerührt als anderes Elend.
Sie haben wenig praktische Erfahrung als Arzt. Wie können Sie da überhaupt helfen?
Ich denke, medizinisch können wir so viel gar nicht tun, weil Medikamente und Ausrüstung fehlen. Das Allerwichtigste ist, da zu sein und bereit zu sein, egal ob es ums Impfen geht oder darum, kleine Seuchen zu bekämpfen. Es wird sicher auch frustrierende Erfahrungen geben.
Und Sie haben keine Angst vor dem Elend, keine Angst vor dem massenweisen Sterben?
Ich habe meine Ausbildung auch in der Notfallmedizin gemacht. Da kenne ich Situationen, wo ich bei einem Unfall auf der Autobahn allein ohne technische Möglichkeiten die ersten Minuten überbrücken muß. In Ruanda werde ich nicht nur Minuten überbrücken müssen, sondern die gesamte Situation, weil andere Hilfe nicht kommt und man mit den Mitteln helfen muß, die man hat.
Vierzehn Tage sind eine sehr kurze Zeit. Kaum haben Sie sich mit der Situation vertraut gemacht, reisen Sie schon wieder ab. Macht das überhaupt Sinn?
Ich finde das für den Anfang gar nicht schlecht. Es gibt sicher einige Ärzte, die gleich für zwei Monate bleiben und das auch psychisch aushalten. Aber ich weiß nicht, was auf uns zukommt und wie ich damit fertig werde. Nach vierzehn Tagen kann man sich vielleicht eher vorstellen, noch einmal dort zu helfen, und dann vielleicht auch für länger.
Wie wappnen Sie sich psychisch?
Natürlich denkt man viel nach und redet darüber. Aber ich weiß noch gar nicht, welche Aufgaben auf mich zukommen. Ich denke, daß ich sie meistern kann, sonst hätte ich mich nicht gemeldet. Doch wie ich dann wirklich damit klarkomme, weiß ich erst vor Ort oder wenn ich zurück bin.
Haben Sie Angst?
Vor dem Einsatz an sich nicht. Ich habe eher Ängste, ausgenutzt zu werden, wenn die Sache nicht optimal durchdacht oder vorbereitet ist. Interview: Vera Gaserow
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