Mit dem Rolli in die Takelage

■ Segeltour für Körperbehinderte um England und den Kanaren

Einmal die Nase in den Fahrtwind unterm Segel eines großen Dreimaster halten und eine tiefe Priese Seeluft einatmen. Solche Sehnsüchte haben viele Menschen. RollstuhlfahrerInnen konnten sich diesen Traum bisher meist nicht erfüllen. Doch nun gibt es einen britischen Rahsegler, der extra auf die Bedürfnisse von Körperbehinderten aller Behinderungsarten zugeschnitten ist.

Der Dreimaster STS Lord Nelson gehört einem englischen Gemeinnützigem Verein, und die Reisen werden über eine Bremer Reiseagentur ohne Profit vermittelt. Alle öffentlichen Räume sind Rollstuhlgerecht, es gibt Extra-Kojen für RollstuhlfahrerInnen, Aufzüge und Rampen. „Alles ist absolut sicher, weil es ja keine Provisorien sind“, sagt Hanne-Ruth Rüsen von der vermittelnden Agentur Zeitreisen in Bremen. Die MitseglerInnen auf der Lord Nelson können auch auf dem Schiff mitarbeiten. Blinde werden durch den sprechenden Kompaß unterstützt und RollstuhlfahrerInnen können sich als Rudergänger von einem höhenverstellbarem Podest aus betätigen. Ganz Mutige RollstuhlfahrerInnen können sich sogar mitsamt des Rollstuhls in die Takelage hieven lassen.

Obgleich kein Mitmachzwang besteht, haben die meisten Lust etwas zu tun, sagt Rüsen. Denn durch die vielen Hilfsmittel sind sie in der Lage ihren Einsatz zu bringen. Mit an Bord sind Ärzte, KrankenpflegerInnen und natürlich das Stammpersonal des Schiffes. Aber auch KöchInnen können im Urlaub „selbstlos mitarbeiten“, und für die Hälfte reisen.

In den Sommermonaten schippert die Lord Nelson entlang der britischen Küste, um im Winter die wärmeren Gefilde der Kanarischen Inseln aufzusuchen. Dort kostet eine Woche Schifftour rund 415 englische Pfund, also etwas mehr als tausend Mark. Neben der Crew finden 20-25 Gäste Platz an Bord.

Doch nicht alle Körpberbehinderte wollen an einem ausgesondertem Angebot mitmachen. „Viele RollstuhlfahrerInnen machen lieber Individualreisen, und wollen an den üblichen Angeboten teilhaben“, sagt Doris Galda von der Landesarbeitsgemeinschaft „Hilfe für Behinderte“ in Bremen. Immer mehr Busunternehmen haben inzwischen Busse, die mit einem Hublift ausgerüstet sind. „Gerade die kombinierten Fahrten kommen gut an“, sagt Wolfgang Flömer, Fahrdienstleiter der Busgesellschaft von Rahden in Bremen. Der Bus kann zum Beispiel 10 RollstuhlfahrerInnen mitnehmen und 50 weitere Personen befördern.

Wer ein Bus mietet, um gemeinsam mit RollstuhlfahrerInnen zu verreisen, sollte früh genug als Veranstalter einen Antrag auf Wettmittel beim Amt für soziale Dienste stellen. „Für individuelle Reisen ist kein Geldpott vorhanden“, sagt Behördensprecher Wolfgang Beyer.

vivA