■ Seitenstich
: Tookschou?

Kann eigentlich noch jemand das Wort Talkshow hören oder sehen? Tookschou, Tookschou, hör' ich dahinten jemand fragen, was ist das noch gleich? Ist das nicht dieser nette, höfliche Zirkus, in dem diverse Pferde mit ihren Pferdeschwänzen den ein oder andern Sägespan aufwirbeln, woraufhin der Clown unter der Zirkuskuppel hustet? Falsch. Eine Talkshow ist ein netter, höflicher Zirkus, in dem diverse Leute versuchen, Staub aufzuwirbeln und dabei sitzen zu bleiben. Und der Clown hustet nicht, sondern moderiert.

Dabei soll das alles mal anders gewesen sein und mit Namen „Drei nach Neun“ geheißen haben. Das heißt: Nach Neun saßen da auf einmal drei und waren streitlustig und erfanden das Fernsehen neu. Sagt jedenfalls der Mythos, der möglicherweise stimmt. Da gabs schließlich auch noch Fetzen, die fliegen konnten, und dazugehörige Fetzer. Und ehrliche Aufregung im Sinne der Aufklärung bzw. umgekehrt. Lieber Gott, ist das lange her. Heute sitzen da drei statt nach neun nach zehn: vielleicht ist das ja der Grund. Das ist jedenfalls nett, das ist höflich (s.o.), das ist gepflegt im Kreis galoppiert. Heute haben die Moderatoren als Männer Fönfrisuren statt Glatzenintelligenz und als Frau ein Mundwerk, das mahlen darf. Dazu kommen dann Gäste, mal dieser, mal jene, die kennen wir schon und wenn nicht, ist auch nicht schlimm.

Der Trend geht übrigens von der Halbtotalen zur Nahaufnahme, damit uns kein Pickel entgeht, was heutzutage mit Indiskretion verwechselt wird. Trotzdem merken wir, daß sich hinter den Kulissen die RedakteurInnen immer noch um Brisanz bemühen. Das ist fast tapfer, wenn auch trotzig, denn die Zeit der Talkshow ist vorbei. Sowieso hat der tabuisierteste Brüllaffe auf RTL längst alles ausgebrüllt. Da hat's unser bremisches Talk-Kränzchen nicht leicht und pflegt im Gegenzug den angerauhten Salonlöwenton. Vielleicht aus Treue, vielleicht aus antiquiertem Interesse am Thema Mensch, schauen wir hin und wieder gern unsere kleine städtische Fossilie. Und könnten uns vorstellen, daß „Drei nach Neun“ am Ende alle seine Epigonen überlebt. Womöglich wünschen wir's ihm gar. claks