Das Kapital flieht aus Bremen

■ Statistik: 275 Millionen Mark zogen ausländische Investoren 1993 aus Bremen wieder ab

Was haben wir uns erschrocken über die jüngste Statistik des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln! Die Tabelle der WirtschaftsforscherInnen listet auf, wieviel ausländisches Kapital 1993 in die einzelnen Bundesländer geflossen ist: Nach Bremen floß gar keins. Im Gegenteil: Aus Bremen zogen ausländische Investoren 275 Millionen Mark wieder ab. Und dann druckte auch noch „Die Zeit“ diese Tabelle ab, ausgerechnet „Die Zeit“, in deren Magazin Bremen in diesen Monaten für sich wirbt mit dem Slogan „Riskieren Sie doch mal einen Blick“. Besser nicht, müssen sich da ausländische Investoren doch sagen.

Ach was, sagte Wirtschaftssenator Claus Jäger gestern auf Anfrage, die Tabelle sage doch gar nichts über wirtschaftliche Effekte. Ausländisches Investivkapital, meine Güte, da würden doch nicht nur die richtigen Investitionen mit Grundstückkauf und Bauen und allem Drum und Dran mitgezählt, sondern auch die bloßen Aktienkäufe. Aber wenn jemand ein paar Vulkanaktien kaufe, ändere sich doch außer der Eigentümerstruktur nichts Wesentliches.

Von wegen, kontert süffisant Jörg Beifuß vom Institut der deuschen Wirtschaft gegenüber der taz, „da ist Ihr Herr Wirtschaftssenator aber nicht richtig informiert“. Bei Direktinvestitionen handele es sich nämlich beileibe nicht bloß um ein paar Aktien, nee, das Bundeswirtschaftsministerium zähle erst dann eine Investition mit, wenn der ausländische Investor mindestens 20 Prozent eines hiesigen Unternehmens erwerbe. Und von wegen, da ändere sich nur die Eigentümerstruktur, sagt Beifuß: „Ein Ausländer legt Geld in einem deutschen Unternehmen nur mit dem Ziel an, die Geschäftspolitik zu bestimmen, und das hat dann auch was mit Arbeitsplätzen zu tun.“

Allerdings, räumt der Wirtschaftsfachmann ein, sage diese Tabelle tatsächlich nicht so sehr viel über Wirtschaftskraft und Wachstumstempo in einer Region, wahrscheinlich aber über Standortimage und Standortqualitäten. Zum Beispiel über die Forschungsintensität. Gerade die Forschungsintensität nämlich sei im Süden Deutschlands hoch, also bei den Spitzenreitern Baden-Württemberg und Bayern. Die Forschungsintensität lasse sich an der Zahl der Patentanmeldungen messen. Wobei Patente seltener von wissenschaftlichen Einrichtungen angemeldet würden als von Industrieunternehmen.

Wirtschaftsenator Jäger aber können solche Zahlen zu keiner Folgerung veranlassen, er bleibt dabei: Die Tabelle sei in ihrem Aussagewert „sehr zu relativieren“. Schließlich sei Bremen kleinstes Bundesland, hier hätten eben nur wenige große Firmen ihren Hauptsitz: Vulkan, Becks, Eduscho ... In Hamburg säßen dagegen 20 bis 30 solcher Unternehmen. Logisch, wenn sich ausländische Anleger lieber dort engagierten.

Nur, damit läßt sich vielleicht erklären, warum kein neues Kapital nach Bremen fließt. Aber warum wird es abgezogen? „Das war aber doch nicht in jedem Jahr so“, sagt Claus Jäger dann: 1992 zum Beispiel habe es einen Zufluß ausländischen Kapitals von 73 Millionen gegeben!

Naja, sagt dazu der Wirtschaftexerte Beifuß ganz gelassen und schaut sich seinerseits die Zahlen der letzten Jahre genau an: 1990 stand Bremen schon einmal ganz am Ende mit 355 Millionen Abfluß ausländischen Kapitals, 1991 an drittunterster Stelle mit minus 493 Millionen. Der Fachmann resümiert: „Das ist schon ein Trend, da kann auch ein Herr Jäger nichts anderes sagen.“ cis