Durchs Dröhnland
: Surfin' Science

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der nächsten Woche

Wenn wir Deutsche was richtig gut können, dann sich mit Verve und Verbissenheit und solider Gründlichkeit ins fast wissenschaftliche Nachmachen vertiefen. Dicke, staubige Folianten wälzen, beim Trödler kramen, Briefmarken sammeln oder eben anglo-amerikanische Musiken nachspielen – alles wird mit vehementer Leidenschaft betrieben. Nur im seltensten Fall erreichen diese Kopien auch nur annähernd die Originale, da ist meist die akademische Herangehensweise vor. Ausnahmen bestätigen auch hier nur die Regel. Eine dieser Ausnahmen ist ohne Zweifel Richard Bargel, der – wie die Kölner Illustrierte herausfand – den Mississippi zwar nur aus Reiseprospekten kennt, aber trotzdem einen knochentrockenen Delta-Blues zu spielen versteht. Bargels erste Erfahrungen kamen natürlich aus zweiter Hand: „Ein Bekannter von mir, der längere Zeit in den USA gelebt hatte, spielte mir 1971 einige Country-Blues-Platten vor. Lightnin' Hopkins und solche Sachen, auf denen ich zum ersten mal eine Bottleneck-Gitarre hörte – und das war so eine Art Initialzündung. Mich hat dieser Stil so fasziniert, daß ich fortan nur noch so etwas spielen wollte.“ Was der gebürtige Frankfurter (Main) denn auch tat. Nach mehr als zwanzig Jahren beherrscht er seine Gitarre, die Metallhülse über dem Finger, die über die Saiten fährt, und seine Stimme so kopistenperfekt, daß er nicht nur von nahezu sämtlichen Blues-Magazinen überschwenglich gewürdigt wurde, sondern sich auch noch mit seiner 91er Platte „Fresh Tracks“ in der Empfehlungsliste des Vereins „Preis der deutschen Schallplattenkritik“ wiederfand. Auf „Fresh Tracks“ findet sich denn auch eine umfassende lexikalische Definition von Blues inklusive Klimperpiano, Mundharmonika und natürlich Bargels Slidegitarre. Auch wenn es hin und wieder etwas glatt dahinstompt, liegen zwischen Bargel und den restlichen deutschen Bluesarbeitern doch mindestens die breiten, braundreckigen Fluten des Mississippi.

Am 19.8. um 22 Uhr im Franz, Schönhauser Allee 36–39, Prenzlauer Berg

Der Rhythm & Blues von Feierabend ist zwar hin und wieder etwas hölzern, aber selten habe ich von einer deutschen Band so zackige Bläser gehört. Doch das wirklich Außergewöhnliche an dem Berliner Quartett ist die Tatsache, daß Sänger Peter Feierabend, der der Kapelle den Namen gab, seine Texte in Deutsch singt. Die drehen sich zwar auch hauptsächlich um die klassischen R&B-Themen, sprich den Herzschmerz und seine Auswirkungen, aber Feierabend versteht es, die Eleganz, die man vom R&B erwartet, souverän links liegenzulassen, um sich ganz auf die Kantigkeit der deutschen Sprache zu stützen. Und das funktioniert ganz prächtig, auch wenn sich einem hin und wieder manches schon Verdrängtes aus dem DDR-Rock aus der Erinnerung zurückdrängt. Mit dabei auch noch die neuen Erfurter Stars Anger 77, „zweifellos das Beste, was Thüringen zu bieten hat“ (Virus).

Am 21.8. um 22 Uhr im Franz

Auburn. Wo das liegt? Irgendwo in Alabama, was wiederum bekanntermaßen ja nicht gerade einer der aufregendsten Staaten der USA ist. Also garantiert in der Mitte von Nirgendwo. Daß man da leicht auf krude Ideen kommen kann, liegt nahe. Vielleicht glaubt man sogar, man sei eigentlich ein Außerirdischer und nur zufällig hier gelandet. Gott sei Dank finden sich noch andere, die das Ford-Prefect-Syndrom mit sich herumschleppen, und weil man schon mal in einer Garage sitzt, kann man auch gleich eine Band aufmachen und sie Man... Or Astro-Man? nennen. Da man als gestrandeter Außerirdischer natürlich verzweifelt in Science-fiction-Filmen aller Art nach den Artgenossen und alten Bekannten forscht, kann man sich dann ganz schnell auch in deren Filmmelodien verlieben. Und weil man sich so allein in der Fremde ja an was festhalten muß, ist die Surfin'-Science-Instrumental-Band schon fertiggebastelt. Da wird gedängelt und gedudelt, die Saiten geschwungen, das Tempo angezogen, daß der Schweiß unter den Raumhelmen fließt. Jenseits des großen, dicken Schulbubenwitzes könnte man sich sicherlich eine Menge Gedanken über die Satire auf den US-amerikanischen Fortschrittsglauben und den (gerade ja wieder jubiläumstechnisch aktuellen) Weltraumwahn im speziellen machen, aber ich glaube nicht, daß unsere vier Freunde aus Auburn, Alabama, sonderlichen Wert darauf legen würden. Ein locker geschwungenes Tanzbein und ein herzhaftes Lachen tun es auch.

Am 23.8. um 21 Uhr im Huxley's Junior, Hasenheide 108–114, Neukölln

Etwas weiter vorne in dieser Zeitung wird heute ja ausführlich über schwarze Musik und ihre Produktionszusammenhänge und was sich daran zuletzt geändert hat, spekuliert, aber bei Boo-Yaa T.R.I.B.E. ist definitiv alles beim alten geblieben. Ob nun Snoop Doggy Dogg, oder wer auch immer den Gangsta-Rap zuletzt reanimierte, die Boo-Yaas waren trotz längerer Abwesenheit immer die bösesten. Das ellenlange Vorstrafenregister war und ist für die Karriere der samoanischen Brüder ebenso wichtig wie die wuchtig dümpelnden Beats. Das, was in Infos immer so hübsch als „Beschreibung der gnadenlos harten Realität des Ghetto- Alltags“ läuft, ist auch bei den Boo-Yaas meist unreflektiertes Macho-Gehabe. Weiterhin werden reihenweise Köpfe runtergeschossen, und Frauen sind halt zum Ficken da. Daß das Ghetto- Alltag ist, bleibt unbenommen, aber selbst Ice-T ist da schon ein paar Schritte weiter. Und zumindest das hat er unseren schwergewichtigen Freunden voraus, die zwar reichlich neben der Zeit liegen, aber nichtsdestotrotz an ihre kraftvollen Anfänge anknüpfen.

Am 24.8. um 20.30 Uhr im Marquee, Hauptstraße 30, Schöneberg

Trotz des Ablebens des Großteils der allerbesten Stumpfrocker dieses Planeten sind in Australien außer den Cosmic Psychos immer noch ein paar Kapellen gut für aggressive Unterhaltung ohne Reue, wenn auch mit Kater. Bored!, die bisher eher in der zweiten Klasse prügelten, haben zuletzt ein ganzes Album ihren Punkheroen gewidmet. Mit dem nötigen Respekt und ohne Bremsbeläge werden Wipers, Sham 69, Black Flag, die Ramones, Johnny Thunders oder die Saints gecovert. Kein Vertun, da hüpfen nicht nur die Ohrwascheln vor Freude, daß da eine Zeit einfach nicht versinken will.

Am 25.8. um 21 Uhr im Huxley's Junior Thomas Winkler