Zwischen den Rillen
: No Spitzentischdeckchen

■ Mit „Born Dead“ melden sich Body Count zurück aus der Diaspora

Nichts ist gemeiner, als als Auslaufmodell zu enden. Ice-T kommt langsam in das Alter. Ausgerechnet er, der sich überzeugend und ohne jedes ironische Lächeln per Plattentitel zum „O.G.“, zum original gangster stilisieren konnte, obwohl er längst in West-Hollywood im Nachbarhaus von Axl Rose wohnte. Er, der sich als überraschend guter Filmschauspieler ein zweites Standbein geschaffen hatte. Und der sich nicht zuletzt mit dem Schachzug, in die Rolle des Body Count zu schlüpfen, als über die Maßen clever erwiesen hatte.

Mit Body Count plazierte Ice-T dem HipHop-Metal-Crossover eine schwarze Rock-Band an die Spitze der Bewegung. Und fand so den leichtesten Weg, um in die Kinderzimmer des weißen Mittelstandes einzudringen. Doch damit nicht genug: Die Debatte um „Cop-Killer“ vom Body-Count-Erstling, die damit endete, daß der Song bei weiteren Auflagen von der Platte verschwand und Ice-T von seiner Plattenfirma gefeuert wurde, brachte ihm nicht nur jede Menge verkaufsfördernde Publicity, sondern auch noch längst verlorene Credibility an der Basis zurück.

Trotzdem läuft er Gefahr, seine zentrale Stellung zu verlieren. In Zeiten von Arrested Development oder Cypress Hill ist einer, der weder Spitzentischdeckchen häkelt noch gerne mal einen Joint durchzieht, im HipHop kaum mehr zu Hause. Zwar haben sich die Lebensbedingungen seines Publikums in den Ghettos nicht geändert, aber der state of mind im HipHop ist ein anderer geworden. Auch deshalb wird „Born Dead“ noch mehr als die erste Body Count von einem Rockpublikum gehört werden und am HipHop umso spurloser vorbeigehen.

Musikalisch hat sich für die Combo nicht allzuviel getan. Immer noch spielen sie einen soliden, manchmal recht hausbackenen Stampfmetal, der sich entschieden auf einmal errungenes Terrain zurückzieht. Das Tempo bleibt moderat, und die den Erstling beherrschenden, bemühten Thrash-Versuche sind wie bei „Killing Floor“ auf ein fast gemütliches Flegeln zurückgenommen. Stattdessen können hier allerlängste Haare gemütlich ausgeschüttelt werden. Die Band, die nach dem Willen ihrer Plattenfirma vor zwei Jahren Metallica „ins nächste Sonnensystem pusten“ sollte, läßt sich Zeit, viel Zeit – ohne dabei allerdings süßliche Balladen zu finden.

Und Zeit hat sich die Band wohl auch bei den Texten gelassen. Das Jahr in der Diaspora, als sich keine Firma fand, die das Risiko eingehen wollte, die nächste Ice-Platte überhaupt anzufassen, wurde genutzt zu einer Rückbesinnung auf die Wurzeln, auf Musik als Ghetto-Radio, als Lebenshilfe, als Konstituierung, als erster und wichtigster Ausdruck schwarzer Kultur. Indiz dafür auch, als Coverversion ausgerechnet „Hey Joe“ zu wählen, und damit wohl vor allem Hendrix zu würdigen, der es schon damals als „nigga“ zum Rockstar für Weiße gebracht hat. Im Zeitalter von black studies mag dies zwar ein recht retrospektiver Ansatz sein, aber mehr als Konsolidierung konnte man ehrlicherweise von Ice-T ja wohl nicht erwarten.

Immerhin wurde die Zeit genutzt, sich von einigen Fehlern der Vergangenheit zu distanzieren. Die Perspektive der Texte ist nicht mehr die des original gangsters, der sich selbstsicher rappend erfindet, sondern die des Künstlers, der das Ghettoleben beobachtet und gefiltert in Worte packt. So sucht man denn auch die gewohnten Sexismen umsonst, die dicken dicks, die noch dickeren guns und die sonstigen Mystifizierungen wurden aufgegeben zugunsten eines Abgesangs wie in „Street Lobotomy“, das zwar in Ich-Form, aber mit offensichtlicher Distanz vom offensichtlichen Elend eines Crack- Süchtigen erzählt. Diese Haltung hat zwar etwas Resigniertes, aber doch überrascht die plötzliche Klarsicht. Im Unterschied zur letzten Solo-Platte ist Ice-T für Body Count dafür aber auch jede Ironie abhanden gekommen.

Von einem weißen, humanistischen Ansatz aus gesehen, gibt einem Ice mit „Born Dead“ immerhin die Hoffnung mit auf den Weg, daß der Rassismus, der die Unterdrückten oft genug davon abhielt, die wahren Unterdrücker zu erkennen, einmal wird überwunden werden können. Im Titelsong beschwört er Gemeinsamkeiten – der Tod macht alle gleich –, und erteilt sogar dem im Gangsta-Rap immer latenten und durch die Nation Of Islam geförderten Antisemitismus eine klare Absage: „Born yellow, born brown, born red, born black, born dead/ Born asian, born jewish, born latino, born poor, born dead/ Born in Somalia, born in South America, born in South Africa, born in South Central, born dead.“ Thomas Winkler

Body Count: „Born Dead“,

Virgin