■ Elias Canetti II:
: Über die Freiheit

Das Wort Freiheit dient dazu, eine wichtige, vielleicht die wichtigste Spannung auszudrücken. Immer will man weg, und wenn es keinen Namen hat, wohin man will, wenn es unbestimmt ist und man keine Grenzen darin sieht, so nennt man es Freiheit.

Der räumliche Ausdruck für die Spannung ist der heftigste Wunsch, eine Grenze zu überschreiten, so als ob sie nicht vorhanden wäre. Die Freiheit im Fliegen erstreckt sich für das alte, das mythische Gefühl bis hinauf zur Sonne. Die Freiheit in der Zeit ist die Überwindung des Todes, und man ist sogar schon zufrieden, wenn man ihn weiter und weiter wegschiebt.

Die Freiheit unter den Dingen ist die Auflösung der Preise, und der ideale Verschwender, ein sehr freier Mann, wünscht sich nichts so sehr als einen unaufhörlichen und durch keine Regel bestimmten Wechsel der Preise, ihr richtungsloses Auf und Ab, wie vom Wetter bestimmt, unbeeinflußbar und nicht einmal wirklich vorauszusehen. Es gibt keine Freiheit „zu etwas“, ihre Gnade und ihr Glück ist die Spannung des Menschen, der sich über seine Schranken hinwegsetzen will. Der Ursprung der Freiheit liegt aber im Atmen. Aus jeder Luft kann jeder ziehen, und die Freiheit des Atmens ist die einzige, die bis zum heutigen Tage nicht wirklich zerstört worden ist. (1942)

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Sie hinkt so schön, daß die Gehenden neben ihr wie Krüppel erscheinen. (1955)

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Kunststück: etwas in die Welt zu werfen, ohne daß es einen nachzieht. (1962)

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Große Worte sollten plötzlich zu pfeifen beginnen, wie Teekessel, in denen Wasser erhitzt wird, als Warnung. (1968)

Auszüge aus: „Aufzeichnungen 1942–1972“, mit frdl. Genehmigung des Hanser-Verlages