■ Zur Inszenierung des Plutoniumschmuggels als Skandal
: Was bezweckt Jelzin-Freund Kohl?

Bisher war von den westlichen Regierungschefs Helmut Kohl derjenige, der sich am meisten für die Integration Rußlands in die Weltpolitik eingesetzt und immer darauf gedrungen hat, daß die Russen trotz des Zusammenbruchs als Supermacht das Gesicht wahren konnten. Wie Bonn allerdings derzeit mit den Regierungspolitikern Rußlands umspringt, hat mit der vielbeschworenen Partnerschaft nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun. Kohl schaut offenbar gelassen zu, wie sein durchgeknallter Geheimdienstkoordinator das Theater um den Plutoniumschmuggel inszeniert: als ein Schurkenstück der bösen und/oder unfähigen Russen, denen die ordentlichen und gründlichen Deutschen endlich ihren nuklearen Augiasstall ausmisten müssen.

Von „Drittstaaten“, die das Teufelszeug geordert hätten, ist die Rede – doch als Käufer dingfest gemacht wurden bislang V-Männer diverser Ermittlungs- und Geheimdienstbehörden sowie Journalisten. Bald täglich wird ein „neuer Fall von Nuklearschmuggel“ lanciert, wobei schwach strahlendes Cäsium, die verschiedenen Anreicherungsgrade und Mengen von Uran sowie das hochgiftige Plutonium munter miteinander vermixt werden. Wenn Schmidbauer und sein Nuklear-Expertentroß erst in Moskau eingeritten sind, dann, so wird dem deutschen Publikum suggeriert, hat der Spuk ein Ende, wird es wirksame Kontrollen geben. Daß man auf diese Tour gerade in Rußland das Gegenteil erreicht, nämlich sämtliche Türen zuschlägt, weiß niemand besser als Kohl. Unterhalb der Ebene der offiziellen Verlautbarungen, auf der in Rußland nach wie vor rein prophylaktisch jeder Vorwurf zunächst abgeschmettert wird, hatten sich die russischen Behörden in letzter Zeit gegenüber deutschen Sicherheitsbedenken durchaus offen gezeigt. Jetzt aber fühlen sie sich, so bestätigen es jedenfalls die damit befaßten deutschen Beamten, als Trottel diffamiert. Die Gesprächsbereitschaft auf der Arbeitsebene sinkt. Das Gefahrenbewußtsein, das die deutsche Rußlandpolitik bisher erklärtermaßen schärfen wollte, wird so nicht zunehmen. Wachsen allerdings wird das Mißtrauen in Rußland gegenüber den Deutschen und gegenüber dem Westen.

Warum jedoch geht die Bundesregierung ausgerechnet jetzt so deutlich auf Distanz zu Rußland? Handelt es sich um einen der gefährlich gut gemeinten Versuche, der „neuen deutschen Rolle in der Welt“ gerecht zu werden? Will Bonn selbst im Club der Atommächte mitreden und spielt sich darum schon mal für den Nuklearbereich als Hilfssheriff der USA auf? Überdeutlich ist bisher leider nur eins: So viel Nebel, wie die deutsche Rußlandpolitik produziert, kann sich jeder Schmuggler nur wünschen. Donata Riedel