Von der Haltestelle zur Endstation

■ Einer von zwei Harburger Bücherbussen soll ab Januar 1995 stillgelegt werden

Woher nehmen und nicht stehlen? Zwei Millionen Mark muß die Stiftung Hamburger Öffentliche Bücherhallen (HöB) 1995 einsparen. Wie das Geld zusammenkommen soll, hat Kultursenatorin Christina Weiss jedoch nicht gesagt. Auch Stiftungs-Direktor Dr. Hanno Jochimsen weiß noch nicht, wo er überall den Rotstift ansetzen wird. Nur eines steht bislang fest: Einer der zwei Harburger Bücherbusse soll ab 1. Januar 1995 stillgelegt werden, Einsparung 500.000 Mark.

Mit seinem Vorschlag biß Jochimsen beim Verwaltungsrat auf Granit: „Er soll zuerst ein Sparkonzept für die gesamte Summe vorlegen.“ Der Leiter der Autobücherei Harburg Josef Levers ist – wie seine acht Mitarbeiter – erbost: „Wir haben steigende Ausleihzahlen zu verzeichnen.“

Die Einrichtung, die den gesamten Bezirk Harburg mit Hilfe zweier Busse literarisch versorgt, ist in den 33 Jahren ihres Bestehens zu einem wichtigen Bestandteil im Kulturangebot südlich der Elbe geworden. „Wir haben regelmäßig 1.400 Leser, darunter viele ausländische Kinder und ältere Menschen“, verweist Levers auf die integrative Aufgabe, „wir erreichen einen Personenkreis, der aus Schwellenangst sonst keine Bücherhallen besucht.“ Viermal pro Woche von 12 bis 18 Uhr fahren die Busse von Cranz bis Moorwerder und laufen dabei 35 Haltepunkte an. Zusätzlich stehen die mobilen Büchereien vormittags vor einzelnen Schulen. Damit könnte es im nächsten Jahr vorbei sein. „Mit nur noch einem Bus wäre das flächendeckende Angebot nicht aufrechtzuerhalten“, befürchtet Levers, „unverantwortlich bei den vielen sozialen Brennpunkten hier.“ Levers leuchtet es deshalb überhaupt nicht ein, warum Jochimsen gerade die Bücherbusse ins Sparvisier genommen hat. Der Diplom-Bibliothekar vermutet: „Es ist ein willkommener Anlaß zu kürzen, weil wir nächstes Jahr neue Busse bräuchten.“ Fast fünfzehn Jahre sind die Gefährte alt und ein neues samt EDV kostet eine halbe Million Mark. Diese Rechnung will Levers nicht aufmachen: „Die alten Busse sollten lieber von Grund auf erneuert werden, das wäre billiger.“ Möglicherweise geht es gar nicht mehr um die Stillegung nur eines Busses: Langfristig, so unken manche, wird das Harburger Bücherbuskonzept wohl ganz auf Eis gelegt. Nach der nächsten Verwaltungsratsitzung im Oktober sind die Harburger schlauer.

Clemens Gerlach