1264: die magische Promillegrenze

■ Wer gewählt werden darf und wer nicht - ein äußerst bürokratischer Akt

Christlich Demokratische Union Deutschlands. Abgehakt. Bündnis 90/Die Grünen, Landesverband Hamburg, Freie Demokratische Partei. Abgehakt. Sozialdemokratische Partei, Die „Republikaner“, sogar die Naturgesetzpartei – Aufbruch zu neuem Bewußtsein. Abgehakt. Sie dürfen in Hamburg teilnehmen an der „Wahl zum Deutschen Bundestag am 16. Oktober 1994“. Beschlossen. Verkündet. Gestern vom Landeswahlausschuß in öffentlicher Sitzung.

Ein bürokratischer Akt, zu dem der siebenköpfige Landeswahlausschuß, Vertreter der Parteien, ein paar Journalisten und noch weniger Zuschauer sich im Reimarus-Saal der Patriotischen Gesellschaft zusammengefunden haben. Es geht um die Einhaltung von Terminen, das richtige Ausfüllen offizieller Formulare, den Nachweis, die eigenen Kandidaten ordnungsgemäß gewählt zu haben. Und es geht – bei denjenigen Parteien, die noch nicht im Bundestag oder einem Länderparlament vertreten sind – um genau 1264 Unterstützungs-Unterschriften Hamburger Bürger, gleich ein Promille der Wahlberechtigten. Um Inhalte geht es nicht.

Vielleicht hätte sonst jemand gestutzt beim Auftritt der „Partei der Arbeitslosen und Sozial Schwachen“, Kurzform PASS, die in ihrem Programm verkündet, daß „Frauen behutsam an echte Arbeit“ heranzuführen seien, damit sie „dann selbst durch Vergleich ihrer bisherigen Puppenstubenidylle mit diesem anspruchsvollen Männerarbeitsplatz die Sinnlosigkeit ihres Wirkens erkennen.“

So aber ist den beiden Vertretern der selbsternannten Schützer von Arbeitslosen und sozial Schwachen das Mitleid der Beobachter sicher. 1174 gültige Unterschriften haben sie vorgelegt, statt der benötigten 1264. Keine Zulassung. Obwohl Parteichef Hansjürgen Großmann mit Wahlanfechtung droht, mit den Problemen Obdachloser, ihren Wohnsitz nachzuweisen, wedelt. Das Kürzel PASS wird auf dem Hamburger Bundestagswahlzettel nicht erscheinen. Genausowenig wie die „Christliche Mitte – Für ein Deutschland nach Gottes Geboten“ und die Tierschutzpartei. 62 Unterschriften, 128 Unterschriften. Zu wenig.

Genug gesammelt haben dagegen die Grauen Panther, die ÖDP und die Marxistisch-Leninistische Partei. Einstimmig abgehakt. Keine Fragen. Kein Widerspruch.

Den gibt's nur bei der PDS. Ein Hamburger Rechtsanwalt hat ihn eingelegt, der selbst Mitglied der Gysi-Truppe ist. Es gebe gar keinen Hamburger Landesverband, die Kandidatenaufstellung sei nicht ordnungsgemäß gelaufen, eine Satzung gebe es auch nicht. Das ist der Stoff, an dem sich ein Landeswahlausschuß abarbeiten kann.

Hat er auch. Das Ergebnis: Sitzungsleiter Erhard Hruschka bescheinigt der PDS nicht nur die Existenz ihres Hamburger Landesverbands, sondern auch noch „ein Muster an Kandidatenaufstellungsverfahren“. Zugelassen zum Zehnten. Stempel drauf. uex