Hamburger Aluminiumwerke: Belüfteter Helm rettet Job

■ Eklat zwischen Betriebsrat und Berufsgenossenschaft / Kranker Arbeiter sollte wegen drohender Berufskrankheit gefeuert werden

Zwischen dem Betriebsrat der Hamburger Aluminiumwerke (HAW) und der Berufsgenossenschaft (BG) Chemie ist es zum Eklat gekommen. Grund: Die BG Chemie weigert sich einerseits, bei einem Werksarbeiter eine Berufskrankheit anzuerkennen, forderte das Unternehmen jedoch gleichzeitig auf, den Beschäftigten wegen der „drohenden Berufserkrankung“ vom Arbeitsplatz zu entfernen. HAW-Betriebsrat Jürgen Schwanck: „Wir verlangen von der BG Chemie eine Erklärung.“

Hintergrund des Konfliktes: Der 42 Jahre alte türkische Hüttenarbeiter Fredj Chouigui leidet seit Jahren an einer Erkrankung der Atemwege und ist deshalb zu 50 Prozent als Schwerbehinderter anerkannt. Auf Anraten meldete er seine Krankheit bei der Berufsgenossenschaft, um sie als Berufskrankheit anerkennen zu lassen.

Doch die BG Chemie kam zu dem Schluß: Bei Chouiguis Atemwegserkrankung handele es sich nicht um eine klassische Berufskrankheit. Allerdings: Wenn der 42jährige an seinem „nicht staubfreien Arbeitsplatz“ in der Gießerei weiterarbeitet, könne es schnell zu einer solchen kommen. Daher sei er unverzüglich an einen „nicht staubbelasteten Arbeitsplatz“ umzusetzen.

Derartige Arbeitsplätze gibt es jedoch bei den HAW so gut wie gar nicht. Und trotz der – laut Betriebsrat – relativ geringen Schadstoffbelastung in der Gießerei empfahl die BG: „...muß Herr C. dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugeführt werden.“ Im Klartext: Die HAW sollten Fredj Chouigui feuern oder mit ihm einen Aufhebungvertrag abschließen. Wasser auf die Mühlen der Unternehmensleitung, die bereits seit 1989 – bislang vergebens – versucht, den Vater von zwei Kindern loszuwerden.

Prompt marschierten die HAW zur Hauptfürsorgestelle und beantragten erneut die Zustimmung zur fristgerechten Kündigung. Die BG Chemie in einer Stellungnahme dazu: „Im Rahmen der Prävention nach § 3 Berufskrankheitenverordnung muß Herr C. die gefährdete Tätigkeit aufgeben, damit das Entstehen einer Berufskrankheit verhindert werden kann.“

Der Betriebsrat ging darauf sprichwörtlich auf die Barrikaden und konnte mittlerweile das Einlenken der HAW-Geschäftsführung bewirken. Das Unternehmen erklärte sich bereit, Chouigui einen belüfteten Atemschutzhelm (Kosten: 2000 Mark) zur Verfügung zu stellen. Schwanck: „Es ist sicherlich nicht der ,Stein der Weisen', wenn ein Kollege seine gewohnte Tätigkeit nur noch mit einer persönlichen Schutzausrüstung leisten kann. Aber welche Alernative hätte es dazu gegeben?“

Der Zorn der Betriebsräte richtet sich vor allem gegen die BG Chemie. Diese sei nämlich verpflichtet, so Jürgen Schwanck, „Hilfen zur Erhaltung und Erlangung eines Arbeitsplatzes zu geben“. Betriebsrat Schwanck fragt daher: „Kann man einem Kollegen überhaupt noch raten, eine Berufskrankheit bei der BG Chemeie rechtzeitig zu melden, wenn er dann Gefahr läuft, seinen Arbeitsplatz zu verlieren?“

Über diese Attacke zeigt sich nun wiederum die BG Chemie entsetzt. „Wir wollen, daß die Kuh schnell vom Eis kommt“, so ein Sprecher. Deshalb habe man den Betriebsrat umgehend um ein klärendes Gespräch gebeten, damit die Vielfältigkeit des Konflikt besprochen und der Disput beigelegt werden könne. „Vorher sagen wir zu dem Fall nichts.“

Kai von Appen