Stunden auf dem Boden

■ Historiker im Mauerschützenprozeß

Im 18. Mauerschützenprozeß hat gestern der 52jährige Historiker ausgesagt, der bei seinem Fluchtversuch im Oktober 1961 schwer verletzt wurde und seitdem querschnittsgelähmt ist. Der aus Düsseldorf angereiste Zeuge erklärte vor dem Berliner Landgericht, die DDR-Grenzsoldaten hätten ihn nach seiner Schußverletzung ohne Decke mindestens zwei Stunden auf dem kalten Boden liegengelassen. Dabei sei er auch ins Kreuz getreten worden. Bei dem nächtlichen Fluchtversuch im Bezirk Treptow habe er keinerlei Warnungen vernommen, als er über den Boden Richtung Stacheldraht gerobbt sei.

Die beiden wegen versuchten Totschlags angeklagten ehemaligen DDR-Grenzposten hatten die Schüsse zugegeben. Der heute 56jährige Postenführer wollte seiner Aussage nach weder töten noch schwer verletzen, sondern habe versucht, auf die Beine zu zielen. Sein damaliger Posten, jetzt Polizeirat in Dresden, hat eigenen Angaben nach einen Schuß drei bis vier Meter vor sich in den Boden gefeuert.

Ein Mitflüchtling konnte seinerzeit zurück in den Osten entkommen. Um diesen Mann ausfindig zu machen, wurde der Historiker, wie er vor Gericht schilderte, bereits im Krankenhaus mehrfach vernommen. Bei einer Befragung nach seiner Notoperation, wobei er kaum habe sprechen können, habe ihm ein Beamter vorgetäuscht, daß der Mitflüchtling schwer verletzt worden sei und man dessen Eltern benachrichtigen wolle. dpa