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Chic und politisch korrekt gewandet

Öko-Mode boomt, wird von den Herstellern aber nicht so genannt, damit niemand an Sandalen und den Schlabber-Look denkt / Verbraucherzentrale fordert Kennzeichnung aller Chemikalien  ■ Von Anja Dilk

Kuschelweich und knitterfrei, schmutzabweisend, einlaufsicher – High-Tech-Klamotten, chic und formbar, ganz nach den elaborierten Stylingideen der Modedesigner. Doch allmählich geht der Trend auch in der Mode zur Natur.

Denn was gestern noch als Errungenschaft der Technik gelobt wurde, wird heute gescholten: Meldungen über das Gift im Kleiderschrank machten in den letzten Jahren Furore. Von Hautreizungen und Allergien war die Rede. Auch die Umweltbelastung bei der Herstellung erlesener Westen und belastungserprobter Jeans ist in die Diskussion geraten. Die Verbraucher sind sensibler geworden.

Und die Branche reagiert: Etwa 300 Hersteller bieten inzwischen Kollektionen an, die versprechen, ökologisch zu sein. Britta Steilmann, Tochter des größten europäischen Textilherstellers, brachte mehr Ökologie bei der Herstellung von Kleidern vor zwei Jahren in die Diskussion. Seitdem boomt die Öko-Mode. In diesem Jahr wurde erstmals auf der ModaBerlin über ökologische Mode in einem gemeinsamen Forum diskutiert. „Fashionable Ecology“ ist das Schlagwort. Die Hersteller grenzen sich ausdrücklich von dem naturbelassenen Öko-Look der frühen 80er-Jahre-Klamotten (Foto) aus den Bio-Läden ab. Weich geschwungene Linien, warme Auberginetöne, lässige modische Schnitte – die Mode soll ökologisch und trotzdem schön sein. „Die Aussteller möchten nicht in die Müsli-Ecke gestellt werden“, erläutert Iris Staubesand von der ModaBerlin. Deshalb vermeiden die Firmen den Begriff Öko und nennen ihre Kollektionen nach e- collections, von englisch: ecology.

Die Firma Esprit gehört zu den größten Herstellern einer e-collection. Umweltverträglichkeit steht bei der Herstellung ganz oben. Das gilt für alle Stufen des Produktionsvorgangs, vom Anbau des Rohstoffs über die Weiterverarbeitung, das Färben bis zur Verpackung. So stammt die Baumwolle aus zertifiziert ökologischem Anbau oder von Feldern in den USA, auf denen die Produktion allmählich umgestellt wird.

Auf den Einsatz von Pestiziden und Entlaubungsmitteln wird verzichtet. Gefärbt wird vor allem mit Naturfarben. Daneben setzt die Firma auf Recycling. Die Manschettenknöpfe, Ohrringe und Anhänger für die neue Herbstkollektion zum Beispiel werden aus altem Filmmaterial gewonnen. Esprit fördert die Umstellung von konventioneller auf ökologische Landwirtschaft gerade in kleinen Betrieben. „Das Konzept kommt bei den Kunden ausgesprochen gut an“, sagt Gabi Kohns von Esprit, „in Berlin und Frankfurt ist das Interesse besonders groß.“

Berlin-Brandenburg als Öko-Textil-Region

In der Region Berlin und Brandenburg gibt es mehrere Betriebe, die auf Ökologie setzen. In Zehdenik produziert seit Anfang des Jahres die Firma Yoyo-kid modische Kinderkleidung aus chemisch unbehandelten Naturfasern. Ab September gibt es die natural funwear von Yoyo-kid in 16 Berliner Kinderboutiquen zu kaufen. Langfristig ist in Brandenburg sogar eine richtige Öko-Textil-Region geplant. Vom ökologischen Flachsanbau über die Verarbeitung bis zum Verkauf soll alles in der Region gefertigt werden. Zehn Betriebe sind bereits an dem Projekt beteiligt.

Nicht alles, was sich ökologisch nennt, ist es auch. Selbst wenn das Etikett vollmundig „aus ökologischem Anbau“ verheißt, sagt das noch nichts über die weitere Verarbeitung. Der Verzicht auf Bleichen sagt noch nichts über das Färbeverfahren, bei der Produktion von Naturfasern können Pestizide eingesetzt worden sein.

Seit die Industrie das Thema entdeckt hat, ist eine Flut von „Öko-Labels“ auf den Markt gekommen. Diese, kritisieren die Verbraucherverbände, haben nur unzureichende Kriterien und fixieren meist, was ohnehin Standard in der industriellen Produktion ist. Der Arbeitskreis Naturtextilien strebt daher ein ganzheitliches Konzept an. Er will einheitliche Kriterien für die Industrie aufstellen. Öko-Labels sollen nur vergeben werden, wenn auch der ganze Herstellungsprozeß ökologisch ist.

Schließlich ist bei der konventionellen Produktion die Umweltbelastung enorm: Ungefähr 70 Gramm Klärschlamm entstehen pro Kilo veredelter Textilie, hinzu kommen fast 40 Gramm Abfall aus Fehlproduktion und Prüfresten.

Weitgehend unerforscht sind die Auswirkungen der geballten Ladung Chemie in der Kleidung auf den Verbraucher. Von den 94 neuen Textilchemikalien, die nach dem Chemikaliengesetz vorliegen, werden 32 Prozent als gesundheitsgefährdend eingestuft. Darunter sind Stoffe, die in Tierversuchen Krebs erregt haben. Dennoch gibt es keine Zulassungspflicht für Stoffe, die bei der Herstellung der Kleidung benutzt werden.

Gesundheitsminister plant Giftsuche in Kleidung

„Der Verbraucher weiß nicht mal, welche Stoffe in seiner Kleidung überhaupt drin sind“, ärgert sich Bernhard Rosenkranz von der Verbraucherzentrale Hamburg: „Die Hersteller betreiben eine Geheimhaltepolitik.“ Die Verbraucherverbände fordern deshalb die Volldeklaration: Die chemischen Substanzen sollen bei jedem Kleidungsstück genau aufgelistet werden, vergleichbar dem „Waschzettel“ von Medikamenten. Gerade für Allergiker wäre die Kennzeichnung hilfreich; sie könnten bereits beim Kauf die Chemikalien meiden, auf die sie überreagieren.

Auch die Bundesregierung will sich endlich Klarheit verschaffen. Das Gesundheitsministerium wolle ab September erforschen lassen, wie gesundheitsgefährdend Chemie in der Kleidung ist, kündigte Mitarbeiter Karl Ewers gegenüber der taz an. Schneller war das Magazin Öko-Test, das zumindest Öko-Strampler auf Gifte hin untersuchte (s. Spalte links).

Aber noch ist Öko-Mode weit davon entfernt, ein Massenprodukt zu werden. Bei gerade einmal ein bis fünf Prozent liegt ihr Marktanteil, schätzt Michael Suhr vom Bundesumweltamt in Berlin. Rohstoffe aus organischem Anbau seien noch Mangelware. Außerdem bedarf es zuverlässiger Kontrollen. Nur so kann garantiert werden, daß die Textilproduktion tatsächlich ökologisch läuft. Wird zum Beispiel ein Rohstoff aus ökologischem Anbau in Maschinen weiterverarbeitet, mit denen sonst konventionell produziert wird, kann er wieder verunreinigt werden. Esprit arbeitet deshalb mit einem Umweltinstitut zusammen, das auch vor Ort die Produktion überwacht. Die Kleidung wird regelmäßig durch Stichproben auf Schadstoffrückstände geprüft.

Elfriede Gebuhr rät dem Kunden, bei den Öko-Mode-Anbietern intensiv nachzufragen, wie die Textilien genau gefertigt wurden. Die ehemalige Bio-Laden-Besitzerin betreibt seit 1991 ein kleines Geschäft für Naturtextilien in Berlin-Friedenau. Auch ihre Sachen haben nichts mehr gemein mit dem Sandalen- und Schlabberhosenchic früherer Zeiten. Ganz so modisch up to date wie die peppigen e- collections der Großhersteller sind ihre Sachen zwar nicht. Aber sie kann den Kunden sehr viel besser über Zusammensetzung und Herkunft ihrer Textilien informieren. Meist hat sie sogar einen Prüfbericht zur Hand. Denn an der fachkundigen Beratung hapert es meist noch in den großen Geschäften, meint Michael Suhr.

„Öko-Mode ist zur Zeit angesagt“, sagt Bernhard Rosenkranz von der Verbraucherzentrale in Hamburg, „deshalb gibt es einfach viele Trittbrettfahrer, die bei einem lukrativen Trend mitmischen wollen. Doch insgesamt ist es schon mal ein Schritt in die richtige Richtung.“

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