Girokonten verzweifelt gesucht

■ Senat will teure Barauszahlung der Sozialhilfe einstellen / Banken richten für überschuldete Personen kein Konto ein

Noch erhält Harald W. seine Sozialhilfe durch den Briefträger. Doch zu Beginn kommenden Jahres soll damit Schluß sein. Denn die Senatsverwaltung für Soziales will die Postbarauszahlung ganz einstellen und über Girokonten abwickeln. Für Harald W. ein ernsthaftes Problem: Wegen Überschuldung hat er in der „Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung“ (Schufa) einen negativen Vermerk. Die Folge: Seitdem verweigern die Banken ihm die erneute Einrichtung eines Girokontos.

Mit ihrer Entscheidung will die Senatsverwaltung für Soziales jährlich mindestens 2,4 Millionen Mark einsparen. Derzeit kostet die monatliche Barauszahlung der Sozialhilfe durch die Postbank das Land rund 20 Mark. Doch bei den bislang angesprochenen Kreditinstituten stößt das Vorhaben „auf wenig Begeisterung“, wie der Sprecher der Sozialverwaltung, Wolfgang Zügel, eingestehen muß. So lehnte die Postbank eine generelle Einrichtung von Girokonten für Sozialhilfeempfänger bereits „durch die Blume“ ab. Mit der Landesbank Berlin – zuständig für die Sparkassen und „Hausbank“ des Senats – wird noch verhandelt.

Die Postbank beruft sich auf das Postgesetz. Danach können Girokonten verweigert werden, wenn der Betroffene Dienstleistungen „mißbräuchlich benutzt hat“ oder „eine ordnungsgemäße Nutzung nicht zu erwarten ist“. Darunter fallen neben Zahlungsunwilligkeit oder mangelnder -fähigkeit auch „ungeordnete wirtschaftliche Verhältnisse“. Der zuständige Abteilungsleiter für Kontoführung, Wolfgang Draeger, räumt ein, daß der Kreis der Sozialhilfeempfänger „ein beachtliches Risikogeschäft bedeutet“. Kritik übte Draeger an der Herangehensweise des Senats, der im Vorfeld über das Problem nicht „gründlich nachgedacht“ habe. Es hätten Gespräche mit allen Berliner Bankspitzen geführt werden müssen. Die Postbank könne das Risiko nicht allein tragen. Außer der Hoffnung, auf die Verantwortlichen der Landesbank Druck auszuüben, mangelt es an echten Alternativen. Die Einrichtung von Girokonten auf Guthabenbasis für Überschuldete – sie können nicht überzogen werden – wird von der Mehrheit der Banken nur in Einzelfällen genehmigt, wie eine jüngst durchgeführte Umfrage der Verbraucherzentrale bei 20 Berliner Geldinstituten ergab. Sie fordert, die Banken sollten wenigstens Guthabenkonten errichten, um „benachteiligten Bevölkerungsgruppen und den Sozialhilfeempfängern eine Chance zu geben und sie nicht auszugrenzen“.

Wenig sinnvoll scheint auch die Einführung eines „eingeschränkten Kontrahierungszwanges“, wie es die Sparkassenverordnungen mehrerer Bundesländer bereits vorsehen: Danach werden die Sparkassen verpflichtet, grundsätzlich ein Girokonto einzurichten. Erst bei einer späteren, negativen Schufa-Auskunft kann eine Kündigung erfolgen. Für Draeger ein wenig hilfreiches Verfahren: „Was nützt es einem Betroffenen, wenn er nach einiger Zeit trotzdem sein Konto verliert?“ Das Problem wird immer drängender, denn die Zahl der überschuldeten Personen steigt von Jahr zu Jahr. Bereits 1991 regte die SPD-Fraktion im Bundestag an, das Recht auf ein Girokonto gesetzlich zu verankern – doch ohne Erfolg. Severin Weiland