Meinungsmacht im Sonderangebot

■ Kirch, Bertelsmann, Murdoch und die Medienkonzentration in Deutschland - Michael Rediske sprach mit Hans Hege, der den Vorsitz in der Konferenz der Landesmedienanstalten niedergelegen will: aus Protest gegen

taz: Werden die Medienanstalten als Kontrolleure nicht von der rasanten technischen Entwicklung überflüssig gemacht? Bald wird es 50 oder 100 Kanäle geben, immer mehr Leute kaufen sich eine Satellitenschüssel.

Hans Hege: Tatsächlich müssen müssen wir nicht mehr den Mangel an Frequenzen verwalten, jeder kann im Prinzip seine Programmidee verwirklichen. Die Themen Jugendschutz und Gewaltdarstellungen bleiben aber. Und vor allem die Medienkonzentration. Denn der Trend geht zu großen internationalen Konglomeraten.

Weil in Deutschland die Konzentrationskontrolle durch die Landesmedienanstalten nicht funktioniert, haben Sie Ihren Rücktritt als Vorsitzender von deren Direktorenkonferenz angekündigt. Sie wollten nicht mehr eine „Laienspielschar“ dirigieren, haben Sie geschimpft. Wer sind denn die Profis?

Die Profis sitzen in den Medienunternehmen. Sie versuchen natürlich, mehr Sender zu kontrollieren, als es der Staatsvertrag der Bundesländer zuläßt. Und das läuft nicht nur über die formellen gesellschaftsrechtliche Verflechtung. Wir müssen deshalb die tatsächlichen Abhängigkeiten kennen: Wer liefert die Programme? Wer vermarktet sie? Wir Medienanstalten sollen de facto eine Wirtschaftsaufsicht sein und müßten deshalb mindestens so effektiv sein wie die Kartellbehörden, also auch Unterlagen beschlagnahmen können. Tatsächlich sind wir aber den Medienunternehmen nicht gewachsen.

Nehmen wir die Prüfung von Pro7 als Beispiel. Sie war der Anlaß für Ihren Rücktritt. Da hat die Medienanstalt von Schleswig- Holstein dem Sender von Thomas Kirch bestätigt, daß er mit den Sendern von Vater Leo Kirch nicht zusammenhängt, daß es keine unzulässige Medienkonzentration gibt.

War die Kontrolle da laienhaft?

Eigentlich war vereinbart, daß außer dem unmittelbar zuständigen Direktor der Schleswig-Holsteiner Medienanstalt mindestens noch einer von uns die Unterlagen prüft. Pro7 hat das einfach nicht zugelassen. Und es geht doch nicht, daß ein Kollege von mir nach München fliegen muß, ihm im verschlossenen Kämmerchen eine Menge Akten hingelegt werden, er sie aber nicht mitnehmen kann. Eine Kartellbehörde würde das nie mit sich machen lassen.

Ihre Kritik an Pro7 ist fünf Jahre alt. Heißt das nicht, daß die Medienkontrolleure fünf Jahre auf der Stelle getreten sind?

Als es damals zum ersten Mal um Pro7 ging, stand ich ganz allein. Heute ist Pro7 kein kleiner Sender mehr, und die Machtkonzentration bei Kirch wird ernstgenommen. Das reicht aber nicht aus, weil auch die Fernsehveranstalter gelernt haben.

Und weil die am Standort des Senders zuständige Anstalt immer noch Lobbypolitik macht, mit dem Argument „Arbeitsplätze“. In Nordrhein-Westfalen für Vox, in Rheinland-Pfalz für Sat.1, in Schleswig-Holstein für Pro7.

Die Standortanstalt kommt immer unter den Druck der Unternehmen und der Politiker. Anfangs haben 14 der 15 Kollegen in unserer Direktorenkonferenz gesagt, daß sie die Verflechtungen von Pro7 für nicht vereinbar mit dem Rundfunkstaatsvertrag halten. Später haben einige ihre Meinung geändert, ohne daß der Öffentlichkeit klar geworden wäre, was sich denn geändert hat. Von neuen Fakten weiß ich nichts. Aber es ist ja niemandem verborgen geblieben, daß es eine Reihe von politischen Gesprächen gegeben hat. Da kommt es sehr leicht zu Proporzlösungen, wie zwischen Bayern und Nordrhein-Westfalen. Wenn ihr Kirch nichts tut, tun wir Bertelsmann nichts.

Wie läßt sich das verhindern?

Nur gemeinsam können wir dem Druck standhalten. Es darf nicht mehr die Anstalt am Standort des Unternehmens zuständig sein. Die Medienanstalten sollten statt dessen einen Arbeitsausschuß schaffen, der die Konzentrationsvorschriften für alle anwendet, und der gemeinsame Beschluß muß dann für alle verbindlich sein.

Kennen Sie Politiker, die wirksam gegen die Konzentration von Medienmacht angehen wollen?

Unsere Politiker haben wenig davon, sich mit großen Medienkonzernen anzulegen. Da bekommen sie regelmäßig Ärger. Ich ziehe mal eine Parallele zur Situation in Italien, bevor Berlusconi in die Politik ging. Als man da debattierte, wie seine Medienmacht zu beschränken sei, kamen ähnliche Argumente wie hier: Berlusconi sei ganz unpolitisch, es gebe doch genug Programme und damit genug Wettbewerb, die Leute wollten doch all diese Programme sehen. Das Ergebnis haben wir gesehen. Ehrlich gesagt, die Hoffnung auf die Politiker habe ich aufgegeben, ich setze mehr auf das Bundesverfassungsgericht.

Sie meinen Ihre Klage gegen die Lizenz des Deutschen Sportfernsehens, das Springer und Kirch gemeinsam gehört.

Ich hoffe, daß das Verfassungsgericht, das ja sehr früh schon zur Medienkonzentration Stellung genommen hat, seine Rechtsprechung an diesem Beispiel konkretisiert.

Die große Herausforderung kommt aber noch, der boomende Markt des nächsten Jahrzehnts heißt Pay-TV, Teleshopping und was man sonst noch so alles am „interaktiven“ Bildschirm machen kann. Da geht die Monopolisierung mit Riesenschritten voran. Bertelsmann, Kirch und die Telekom mit ihrem Kabelnetz haben dafür eine gemeinsame Firma gegründet, die Media Service GmbH. Die Europäische Kommission hat dagegen gerade ein Prüfungsverfahren eingeleitet, mit ungewissem Ausgang.

Ich bin für die Trennung zwischen Programmanbietern und denjenigen, die die Transportwege kontrollieren. Denn derjenige, der die Kabelnetze kontrolliert, wird immer versuchen, seine eigenen Programme zu begünstigen. Die Telekom braucht zwar die Hilfe von anderen Unternehmen, weil sie im Verkauf von Programmen nicht geübt ist. Nur sind Bertelsmann und Kirch nicht unbedingt die richtigen. Im Programmbereich sind kleinere Unternehmen auch deutlich innovativer.

Die mittelständischen Zeitungsverleger haben allerdings schlechte Erfahrungen mit dem Fernsehen gemacht. Gerade hat sich der Kölner Verleger Neven DuMont darüber beschwert, daß bei Sat.1 er und 115 andere die Verluste tragen, während die Gewinne beim Filmelieferanten Kirch anfallen. Das motiviert nicht gerade zu Experimenten.

Früher schien uns die Beteiligung von Verlegern am Fernsehen eine bedrohliche Konzentration, heute wünschen wir sie als Gegengewicht. Der Brief von Neven DuMont ist immerhin das positive Zeichen, daß sie sich nicht verdrängen lassen.

Wie wollen Sie sie stützen?

Durch Expansionsgrenzen für Kirch und Bertelsmann. Großbritanniens Privatfernsehen hat bessere Strukturen. Da ist Murdoch, aber auch eine Reihe unabhängiger Unternehmen bei ITV. Obwohl der Markt dort kleiner ist.

Mit dem „informationsorientierten“ Programm von Vox ist Bertelsmann gescheitert. Jetzt wird Vox wahrscheinlich eine weitere Filmabspielmaschine oder ein bescheidenes Spartenprogramm. Für Berlin-Brandenburg haben Sie die Vox-Lizenz neu ausgeschrieben. Der SPD-Medienexperte Peter Glotz hat sich diese Woche dagegen ausgesprochen. Dann, fürchtet er, könne der Sender „ganz kippen“.

Gesetzlich ist die Neuausschreibung vorgesehen, wenn Gesellschafter und Programm wechseln. Murdoch und die anderen müssen der Auswahl stellen. Sollte dann kein anderes Ergebnis rauskommen, weil es, wie Herr Glotz vermutet, keine anderen „relevanten Geldgeber“ gibt, ist es in Ordnung.

Welche Qualitätsstandards kann man den Privaten denn heute noch vorschreiben?

Die Finanzierung aus Werbung erfordert hohe Einschaltquoten mit jungem Publikum und schafft Probleme für private Sender, die vor allem Informationen bieten, wie n-tv und Vox. Das ist eine Herausforderung für den gebührenfinanzierten Rundfunk, bei dem bisher der Trend zur Anpassung an die Privaten ging.

Bei Vox ist künftig Murdoch der größte Gesellschafter. Präludium für einen massiven Einstieg des Medienmoguls in den deutschen Markt?

Vox ist ein kleiner Sender, aber was macht Murdoch noch? Er hat ja eins der großen amerikanischen Studios, die 20th Century Fox, deren Filme derzeit noch über Leo Kirch vermarktet werden. In Großbritannien beherrscht Murdoch das Pay-TV. Bertelsmann und Kirch dominieren es in Deutschland, Canal+ in Frankreich. Da liegt ja außerdem ein internationales Kartell nahe. All das ist bedeutender als Vox.

Aber Vox ist der Anlaß, über Murdochs Expansionsstrategien nachzudenken. Genauso mit Berlusconi: Falls er gezwungen wird, einen Teil seiner Fernsehsender zu verkaufen, möglicherweise an Kirch, wird man diskutieren müssen, wie hier die Verflechtung weltweit weitergeht.

Wir haben ja schon beim Fall Deutsches Sportfernsehen die Tendenz beobachtet, daß man sich international über Konzentrationsgrenzen hinweghilft, indem der eine Anteile hält, die der andere nicht halten darf.

Wie sieht Ihr Szenario für die Konzentration heute in zehn Jahren aus? Das Supermonopol Berlusconi-Murdoch-Kirch-Bertelsmann?

Zum Glück halten Monopole nicht ewig, oft gehen sie auch an eigenen Widersprüchen zugrunde. Niemand weiß, was aus der Kirch- Gruppe wird. Die ist sehr stark auf eine Person konzentriert. Es ist auch denkbar, daß die Kirch- Gruppe plötzlich Murdoch gehört oder Bertelsmann. Ganz neue Allianzen sind möglich, um so dringlicher ist es, transparent zu machen, wem die Medienmacht gehört. Im Fall Kirch die Frage, welche Rolle sein Geschäftspartner Beisheim spielt, der Eigentümer von Metro und Kaufhof. Das hat bisher niemand aufklären können. Wenn die Medienmacht zum Handelsobjekt wird, kann man sich mit sehr viel Geld die Meinungsmacht in Deutschland zusammenkaufen. Wer dieses Geld aber im nächsten Jahrzehnt haben wird, weiß ich nicht.