MMM kommt wieder

■ Neue Aktienpleite in Rußland in Sicht / Mavrodi wirbt um neue Aktionäre

Moskau (taz) – Die Zukunftshoffnung des MMM-Aktionärs und Familienvaters Andrej ist ungebrochen. Zum Beweis lud er mich zu sich nach Hause ein: Für 45.000 Dollar hätten sie sich MMM-Aktien angeschafft, erklärte er mir unisono mit Weib und Sohn. Sie seien überzeugt, daß es nach dem spektakulären Krach mit der Gesellschaft bald wieder aufwärts gehe: „Kaufen Sie doch auch, dann klappt's schneller!“

MMM-Chef Sergej Mavrodi sitzt weiter im Gefängnis und wurde jetzt unter Anklage gestellt. Aber nicht etwa, weil er Millionen von RussInnen um ihr Geld gebracht hat, sondern weil er für eine Tochterfirma namens Invest-Consult Steuern hinterzog. Am Donnerstag wies er seine Angestellten an, sämtliche MMM-Operationen, so auch den Aktienverkauf, wiederaufzunehmen. Offenbar nutzte Mavrodi die legalen Illegalitäten des russischen Gesetzsystems so geschickt aus, daß das Pyramidensystem der MMM selbst nicht zum Verhandlungsgegenstand werden wird. Möglicherweise hat auch das russische Finanzministerium nur Angst vor dem Zorn der Volksmassen.

Inzwischen erstreckt sich das MMM-Syndrom auf die noch ältere und große Investment-Gesellschaft „Russki Dom Selenga“. Diese Firma warb im Fernsehen, indem sie für jede hinterlegten 1000 Rubel einen täglichen Zuwachs von fünf Rubeln versprach. Ein Gericht hatte der Gesellschaft voriges Jahr verboten, Investitionen für Kunden vorzunehmen, da sie nicht über die erforderliche Banklizenz verfüge. Dennoch setzte „Russki Dom Selenga“ seine Kampagne fort. Jetzt scheint die Gesellschaft nicht mehr zahlungsfähig, mehrere ihrer Tochterfirmen wurden angeklagt, Billionen von Steuerrubeln hinterzogen zu haben. Anfang der Woche flog der Versuch von Vertretern der Firma auf, 3,3 Millionen Dollar als Bargeld in Säcken aus dem sibirischen Irkutsk auszufliegen. Sogleich flog der Junior-Direktor der „Russki Dom Selenga“ nach Moskau: „um die Investoren zu beruhigen“. „Wir haben die Banklizenz ja schon beantragt“, verkündete er. Barbara Kerneck