Der Zauber des zierlichen Zentaurs

■ Derby in Klein Flottbek: Siebtes Kunststück von Nelson Pessoa

Ein Zauberer ist er. Ihm könnte es sogar gelingen, jene Menschen, die Pferdesport als Tierquälerei empfinden, eines Besseren zu belehren. Da die sich gestern aber nicht auf dem Derby-Platz in Klein Flottbek eingefunden hatten, verpaßten sie das siebte Zauberstück des Brasilianers Nelson Pessoa.

Es ist wahr, dieser Parcour lehrt manchem Pferd, Reiter und Zuschauer das Fürchten. Weltweit einmalig lange 1.230 Meter müssen sie sich über 24 Hindernisse quälen: Schreckensgebilde wie die zwei irischen Wälle – auf denen die Pferdebeine angstzappelig und spinnenzart werden. Oder der drei Meter hohe Wall, der in einem steilen Abrutsch endet – dahinter gleich noch eine Bretterplanke, vor der viele Gäule die Notbremse ziehen. Wie Caras, der den Weltmeister Sören von Roenne zum Sieg tragen sollte. Ihm aber statt dessen auf dem Wall unmißverständlich klar machte: „Ohne mich, spring' doch selber!“

Aber ach, dann reitet der 58jährige Hexer auf seinem Braunen Vivaldi ein: weniger ein Paar, denn zierlicher Zentaur. Der – na klar, so einfach, wie schön – diesen schweren Parcours so mühelos und spielend überwindet, das man zwischendurch das Fürchten vergißt.

Und sie gelang ihm wieder, die Nullrunde – diesmal allerdings nicht, wie in den vergangenen zwei Jahren, als einzigem. Erstmals seit fünf Jahren gab es wieder ein Stechen, denn auch dem Ägypter Andre Sakakini und der Amerikanerin Katherine Prudent war eine Nullrunde geglückt. Aber wozu eigentlich ein Stechen? Nachdem Sakakini dann zwei Abwürfe und die Amazone einen hingelegt hatten, ertänzelte „Neco“ Pessoa sich noch eine fehlerfreie Runde und schaffte unter dem frenetischen Jubel tausender Zuschauer seinen siebten Derby-Sieg.

Auch am Morgen war es jemandem gelungen, die Zuschauer um den kleinen Finger zu wickeln: dem Düsseldorfer Bullen Klaus Balkenhol auf seinem Goldfuchs. Die ansonsten so versnobten Dressur-Fans schrien, klatschten und trampelten den Weltmeister auf seinem Polizeipferd Goldstern nach deren Kür hemmungslos zu.

Zwischen all den millionenschweren zwei- und vierbeinigen Konkurrenten mauserten sich das einst für schlappe 6.000 Mark erstandene Dienstpferd und sein uniformierter Reiter inzwischen zum absoluten Publikumsliebling. Den Titel im „Grand Prix Special“ teilten sich die Weltmeisterinnen Karin Rehbein und Isabel von Werth.

Sannah Koch