Farbfernseher und imaginärer Stürmer

■ St. Pauli beglich die offene Rechnung mit Wolfsburg durch ein 0:0 Von Clemens Gerlach

Fußballtrainer sind Meister der Verschleierung. So wie Vertreter ihre Waren anpreisen, versuchen auch Übungsleiter ihre Produkte, also die Leistungen ihrer Mannschaft, vorteilhafter darzustellen, als sie wirklich sind. Das gehört zum Geschäft, und dennoch wirkt die Schönfärberei oft so, als sollte einem Blinden der neueste Farbfernseher angedreht werden. Auch Uli Maslo kennt sich mit Verbalklitterungen aus. Sein Standardspruch lautet sinngemäß: „So schlecht war es gar nicht. Wir sind noch nicht soweit, werden es aber irgendwann sein.“ Er glaubt noch immer daran, die alte Schwarzweißglotze demnächst ausrangieren zu können.

Nach dem sonnabendlichen 0:0 zum Zweitligaauftakt gegen den VfL Wolfsburg zeigte sich St. Paulis Trainer jedoch ungewohnt gegenwartsbezogen. „Wir müssen im Angriff die Hebel ansetzen“, sagte der Mann mit dem obligatorischen weißen Polo-Hemd durchaus kritisch. Und: „Ich bin vom Ergebnis enttäuscht.“ Kann er auch, nein, muß er sogar. Von der angekündigten Revanche für das bundesligaverhindernde 1:4 am letzten Spieltag der vorherigen Saison in Wolfsburg war nichts zu sehen. Obwohl sein FC vor gut 15.000 Zuschauern nach der zerrungsbedingten Auswechselung von Spielmacher Carsten Pröpper über eine Stunde mit nominell drei Spitzen agierte, herrschte im Angriff Sendepause. Die drei großen „S“ (Scharping, Szubert und später Savitchev) standen sich gegenseitig auf den Füßen, was Maslo mit „noch nicht eingespielt“ erklärte.

Ein Klassestürmer war dennoch zugegen, wenn auch nur imaginär: Marcus Marin. Immer wenn einer der realen Angreifer verstolperte, ging ein „den hätte er aber reingemacht“ durch das ungehaltene Publikum. Doch statt des letztjährigen Goalgetters spielte Jouri Savitchev. Der kostet zweimal eine Viertelmillion Mark Ablöse. Die Hälfte davon soll für Marin nicht aufzutreiben gewesen sein, weshalb ein erwiesenermaßen treffsicherer Mann nicht gehalten werden konnte. Schlecht angelegtes Geld? Man könnte es auch so sehen: St. Pauli ist ein Klapprad mit 20 Gängen, aber noch fehlt das Vorderrad.

Ein Schutzblech ist mit Andre Trulsen hingegen vorhanden. Der Heimgekehrte bekleidete zusammen mit Schlindwein jene Position, die eigentlich wegrationalisiert werden sollte: Manndecker. Das klappte bei Trulsen ganz gut, bei Schlindwein weniger (diese Stockfehler!). Maslo fand dennoch für Abwehr und Mittelfeld mit einem „gut gearbeitet“ lobende Worte. Doch Einsatz alleine ist manchmal zu wenig, vor allem, wenn der Aufstieg her soll. Maslo weiß ja selber: „Nur hinter dem Mann herzurennen, reicht nicht.“

Auch nicht gegen die eigentlich auswärtsschwachen Gäste. Die mußten nur auf die Fehler der Paulianer warten. So wenig langte, um nicht zu verlieren. Womöglich war es mehr als nur eine weitere Enttäuschung. Für Uli Maslo zumindest könnte die substanzlose Vorstellung bedeuten: Kursus „Gesprächsschulung für Vereinsvertreter“ stornieren und statt dessen „Kasernenton leichtgemacht“ buchen.