Hamburger mit Schräglage in Köln

■ „Die Sterne“, „Mastion“ und „Sebadoah“ kollidierten in WDR-Rocknacht mit Heinz R. Kunze

Heinz Rudolf Kunzes muckergestopfte Gruppe Verstärkung legte sich während ihres sonnabendlichen Auftritts in der WDR-Rocknacht im Kölner E-Werk plötzlich nicht mehr allein ins Zeug. Ernstzunehmende Unterstützung war aus Hamburg angereist: Ein fordernder, gleichzeitig lässig-hopsiger Groove des Sterne-Schlagzeugers Christoph Leich unterminierte das wichsige Gedaddel der Verstärkung.

Bassist Thomas Wentzel, Keyboarder Frank Will und der latent aggressive Sänger und Gitarrist Frank Spilker der Hamburger Sterne stellten sich von Takt zu Takt dazu. Die Verstärkung, durch ihren Chef wohl mangelhaft vorbereitet, waren durch das Folgende als erste irritiert. Dann entdeckte das mehrtausendköpfige Publikum seine Verwunderung und seine Fassung wieder. Ebensoviele „Hähh?s“ wie „Jawoll!s“ standen in den Gesichtern geschrieben. Spilker sang „Zum Todschlagen zu schön“ vor einem nicht mehr gefaßten Publikum, das sich vorgenommen hatte, mit allem zu rechnen. Zu Laidback-Funk raunt Spilker, was er „ohne Spaß“ tut. Mit der Ansage „dieser Song ist gegen Menschen“ leitet er den nächsten ein.

Der bittersüße Ingwer-Witz des Sängers ist hier nicht die Kennmarke des Misanthropen. Spilker machte den Besuchern einer Massenveranstaltung und den Menschen „draußen an den Bildschirmen“ das eine klar: Man kann sich zwischen zwei Lösungen entscheiden, aber manchmal muß man sich auch zwischen mehreren verzehren. Besonders, wenn sich die gute und die schlechte Lösung als dieselbe herausstellten. Der Band, die musikalisch gleichzeitig einlädt und sich distanziert, kam Moderator Kunze kaum bei: „Eine Beat-Band aus Hamburg, mit aus der Schräglage verfaßten Texten“, stellt er sie sich und dem Publikum vor.

Fazit: In der Mitte des Fernseh-Komposts haben die Sterne sich zurückgewonnen. Auch die Label-Kollegen von Mastino hatte Kunze für die Veranstaltung eingeladen. Sätze wie „Euch fehlt auch das Hirn“ klingen zwar vielversprechend, wirken aber wie das schlichte Gegenüber der hirnebesitzenden „Goethe und Schiller“, die Neo-Nazis ja immer gern mißbrauchen, wenn man sie nach den Gründen für ihre eigenartige Lobhudeleien auf „deutsche Kultur“ fragt.

Die Amerikaner Sebadoah spielten emotionslastigen Hard Core und mit Kunze zusammen David Crosbys „Everybody's been burnt.“ Für beide wie für die abschließend hart rockende The Tea Party gilt, daß sie jeden angeregt und doch selig in seiner Facon schmorend zurücklassen. Die Sterne aber erwischten am Sonnabend die meisten Anwesenden auf der falschen Kniekehle, brachten sie aber auch auf erstaunte Bewegungen und andere Gedanken. Und das hatten nicht viele für möglich gehalten.

Kristof Schreuf