Kommentar: Totalschikane
■ Letztes Mittel vor Ende der Wehrpflicht
Verweigerung aus Gewissengründen löst in deutschen Kommißköpfen noch immer den altbekannten Reflex aus. Totalverweigerung verstehen sie vor allem als Rechtfertigung für totale Schikane: Feldjägerhatz, Isolationshaft, Psychoterror. Die Methode hat Günther Wallraff schon vor gut 30 Jahren am eigenen Leib erfahren und in seinem ersten Buch hautnah beschrieben.
Und nicht nur in den Kasernen, auch in deutschen Gerichten finden sich noch immer die gleichen sturen Kommißköpfe, die dem Militärarrest die Mehrfachbestrafung folgen lassen. Denn noch bevor die erste Strafe für die Verweigerung abgesessen ist, beruft die Bundeswehr den Fahnenflüchtling wieder ein. Es folgt die zweite Verweigerung, die zweite Haft und Verurteilung. Und so weiter.
Doch ganz ungebrochen funktioniert das tumbe militärische Wechselspiel von Befehl und Gehorsam heute doch nicht mehr. Nicht mehr jeder Richter, der über Totalverweiger zu urteilen hat, war selber Unteroffizier – sanftere Urteile belegen es. Und nicht mehr jeder Soldat folgt bedingungslos der Anordnung von Oben – schon beim Golfkrieg wurde in den Kasernen offen über Wege der Verweigerung gesprochen. Totalschikane gegen Totalverweigerer, die vor 30 Jahren Ausdruck ungehemmter Machtgewißheit war, ist heute nur noch das letzte Aufbäumen vor dem schon abzusehenden Ende der Wehrpflicht. Dirk Asendorpf
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