Bremer Totalverweigerer im Militärknast

■ Florian von Bothmer wird in Rotenburg/Wümme bei den Heeresfliegern in Einzelhaft gehalten

„Florian hat sich für die härtere Version entschieden“, sagt der Bremer Rechtsanwalt Günter Werner. Florian von Bothmer aus Bremen hat sich nämlich nicht erst als Kriegsdienstverweigerer anerkennen lassen, um dann auch den Zivldienst zu verweigern – dann wäre er „nur“ in den zivilen Knast gekommen. Nein, Florian von Bothmer hat den Dienst in der Heeresfliegerausbildungsstaffel in Rotenburg/Wümme ordnungsgemäß angetreten, sogar noch zwei Wochen gedient und dann erst totalverweigert. Jetzt sitzt er im Militärknast. Voraussichtlich die üblichen 63 Tage. Eigentlich hatte er mit dem Rechtsanwalt abgesprochen, gleich den ersten Befehl zu verweigern – das Entgegennehmen der Uniform. Stattdessen diente er zwei Wochen. „Möglicherweise wollte er sich angucken, wie es da eigentlich zugeht“, mutmaßt Rechtsanwalt Werner.

Militärarrest heißt Einzelhaft. Die Arrestzellen der Kasernen sind sechs Quadratmeter groß, haben oft nur einen Lichtschacht, so daß die Arretierten nicht hinausschauen können. Das Bett wird vom Wachpersonal abends von der Wand geklappt, morgens um sieben wieder hochgeklappt, weiß Rechtsanwalt Werner: „Gegenüber dem normalen Knast herrschen da üble Bedingungen.“ Die Schikanen sind vielfältig: Einer mußte immer im Beisein von Wachsoldaten essen – weil wegen des Messers Suicidgefahr bestehe. Florian von Bothmer wurde Post vorenthalten, zum Beispiel Broschüren von Kriegsdientsverweigerer-Initiativen. Dagegen will jetzt die Braunschweiger Totalverweigerer-Initiative rechtlich vorgehen.

Eine Stunde täglich wird der Gefangene um die Kaserne herumgeführt, neben sich bewaffnete Wachsoldaten, die striktes Sprechverbot haben. Das nämlich sei die größte Angst der Kasernenleitung, so der Rechtsanwalt, daß die Totalverweigerung zum Diskussionsstoff für die ganze Einheit wird. Nervös dürfte der Kommandant ohnehin sein, ist doch diese Heeresfliegerausbildungsstaffel schon während des Golfkriegs in die Schlagzeilen geraten: Damals verweigerten so viele den Dienst, daß die Einheit nicht, wie vorgesehen, in der Türkei eingesetzt werden konnte.

Der für Florian von Bothmer zuständige Hauptmann Schwarzer soll jetzt gegenüber dem Gefangenen Revanche angekündigt haben: Zum Prozeßtermin vor dem Amtsgericht will er mit 50 Rekruten erscheinen und sich für ein Strafmaß von zwölf Monaten Freiheitsstrafe einsetzen. Sowas gibt es, sagt Rechtsanwalt Werner. Doch in Emden vor zwei Jahren hat der Richter dann den Prozeß verschoben, weil der Saal voller Soldaten war und das dem Richter wie eine militärische Besetzung vorkam.

Und aus den angedrohten zwölf Monaten Haft wird wohl auch nichts, meint der Rechtsanwalt. Zwar gibt es noch immer den sogenannten Wörner-Erlaß, nach dem Totalverweigerer, auch wenn sie von Gerichten zu wenigen Monaten verurteilt wurden, anschließend so oft wieder einberufen werden sollen, bis zwölf Monate Haft erreicht sind. Doch mittlerweile wurde die Frist auf neun Monate gesenkt – der Wehrdienst dauert 12 Monate, der Zivildienst 15. Außerdem werde dieser Erlaß längst nicht mehr stringent angewandt, sagt Günter Werner: „Meist werden die Totalverweigerer nach der ersten Strafe von der Bundeswehr sozusagen ,unehrenhaft entlassen', dann sind sie nicht mehr wehrpflichtig.“

Selbst in Bremen hat sich vergangene Woche nach rund 14 Jahren erstmals etwas bewegt: Dort hatte bislang Amtsrichter Gerboth regelmäßig gegen Totalverweigerer 6 bis 8 Monate Knast ohne Bewährung verhängt. Ebenso regelmäßig hatte das Landgericht die Urteile zwar bestätigt, aber später im Gnadenweg die Haftstrafen auf Bewährung ausgesetzt. Nun hat das Landgericht einen deutlich entschiedeneren Weg eingeschlagen: Es wandelte die Haftstrafe für einen 26jährigen Totalverweigerer in eine Geldstrafe von 6.000 Mark um. Außerdem stellte das Gericht klar: Knast ohne Bewährung sei eine Unmöglichkeit, weil ein Totalverweigerer in der Regel ein Überzeugungstäter sei, der niemandem etwas zuleide getan habe, in diesem Sinne also nicht als Krimineller angesehen werden könne.

„So ein Ergebnis mit Geldstrafe ist allerdings für den Florian nahezu ausgeschlossen“, sagt Anwalt Werner. Denn Florian von Bothmer ist nicht zunächst als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen anerkannt worden. „Das ist ein juristisch total komplizierter Fall.“ Dennoch habe Florian beim ersten Telefongespräch keinen geknickten Eindruck gemacht. Schließlich hat er sich, wie ihm auch der Anwalt eindringlich riet, vorbereitet auf 23 Stunden tägliche Einsamkeit. Unbedingt solle man Tagebuch schreiben, um sich nicht zu verlieren, sagt Günter Werner. Die meisten zeigten dann eine erstaunliche innere Stärke. Nur wenige verfielen in Depression, würden regelrecht krank. „Ein Spaß ist das nämlich bestimmt nicht.“ cis