Die Stadtmitte wird neu verteilt

■ Sinkende Profite heizen Verkaufswelle an / Wird American Business Center nicht gebaut? / Auch Sony verkauft Anteile

Im Berliner Zentrum ist das Immobilienkarussell erneut in Bewegung gekommen. Die Welle von Neuverteilungen umfaßt sowohl den Verkauf von Grund und Boden als auch geplanter und auch bereits realisierter Bauprojekte. „In der Berliner Mitte wird derzeit die ganze Stadt verkauft“, erklärt Frank Orthen, Immobilienexperte der Berliner Maklergruppe Eureal, gegenüber der taz.

In Prenzlauer Berg, Kreuzberg, aber besonders im Dreieck Brandenburger Tor, Potsdamer Platz und Friedrichstraße wechseln Büro- und Dienstleistungsprojekte den Besitzer oder werden zusätzlich finanzstarke Partner von den Investoren an Bord genommen.

Die Preise auf dem hiesigen Büromarkt „haben extrem nachgegeben“, meint Orthen. Statt 60 bis 80 Mark pro Quadratmeter, „erhält man heute nur noch die Hälfte“, also 35 bis 40 Mark. Weil die erhoffte Nachfrage nach teuren Bürostandorten ausgeblieben sei, hätten viele Bauherrn kalte Füße bekommen. Zudem drohe durch den ungebrochenen Bauboom, daß zusätzlich Überkapazitäten geschaffen würden.

„Weit über hunderttausend Quadratmeter Nutzfläche“ seien darum in letzter Zeit in andere Hände übergegangen. Ganze Projekte großer Developer gingen an sogenannte „institutionelle Kapitalanleger“ wie Versicherungen, Banken und andere Anbieter. Bis 1995 ist es nach Auskunft Orthens durchaus vorstellbar, daß rund drei Millionen Quadratmeter Büro- und Dienstleistungsflächen auf dem Markt angeboten würden.

Den wohl spektakulärsten Wechsel soll es am Checkpoint Charlie geben. Wie die taz aus gutinformierten Maklerkreisen erfuhr, sucht die American Business Center GmbH (CEDC) für das gesamte Projekt einschließlich Planung und Baugenehmigung einen Käufer (angeblich interessiert sich die Kölner Fundus-Gruppe dafür), weil sich die Investition von fast einer Milliarde Mark für die Büro- und Wohnblocks in der Zukunft nicht rechnet. Damit wäre die Entwicklung des Areals bis auf weiteres vertagt und der Berliner Stadtentwicklung vielleicht erneut ein Projekt weggebrochen. Am Wochenende wollte bei der CEDC niemand dazu Stellung nehmen.

Zu den großen Transaktionen zählen Grundstücksverkäufe am Gendarmenmarkt sowie der Verkauf eines rund fünfzehnprozentigen Anteils von Sony am Potsdamer Platz an den amerikanischen Developer Tishman Speyer Properties. Edgar van Ommen, Geschäftsführer der Sony-Berlin GmbH, wies Spekulationen über mögliche Schwierigkeiten beim Büromarketing zurück und bestand im Gespräch mit der taz auf einer „guten Ehe“ zwischen Investor und Developer. Fast die Hälfte ihrer Nutzflächen in den Friedrichstadtpassagen verkauft haben Roland Ernst/Dresdner Bank an den Immobilienfonds Degi. Das 31.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche umfassende Gebäude des Architekten Jean Nouvel soll 1995 fertiggestellt sein und Büros, Kultureinrichtungen, Wohnungen und als Kaufhaus den Pariser Galeries Lafayettes Raum geben.

Neuer Eigentümer des Geländes der Euwo-Gruppe am Alexanderplatz ist nach Informationen der FAZ die Degi. Für 250 Millionen Mark ging der Deal über die Bühne. Ins „Mossehaus“ zieht auf fünfzehntausend Quadratmeter nun die Elf Oil AG ein. Der Deutsche Industrie- und Handelstag hat das Grundstück an der Breitestraße erworben und plant ein dreißigtausend Quadratmeter großes Bürohaus. Die Reichsbahn sucht für ihre Immobilie an der Straße Unter den Linden für 140 Millionen Mark einen Käufer, während das große Büroprojekt der NPC an der Schönhauser Allee von der Despa übernommen wurde und realisiert wird.

Daß ganze Projekte einschließlich der Planung über den Tisch gehen, ist für Frank Orthen nichts Neues. „Derzeit besteht ein großes Angebot an fertigen Projekten.“ Er erinnerte an die Transaktion der schwedischen Investorengruppe Skanska beim Tacheles, für das derzeit die Fundus-Gruppe im Gespräch ist. In den Wechseln sieht Orthen keinen Verlust städtebaulicher Planung, sondern ein gutes Zeichen. Die Immobilienverkäufe von großen Investoren an „institutionelle Anleger“ bringe mehr „Mix“ in die Stadt. Rolf Lautenschläger