■ Rest-Jugoslawiens Präsident Lilić greift bosnische Serben an
: Serbiens Zukunft

Wenn zwei sich streiten... Auch in der Auseinandersetzung zwischen der Belgrader und der bosnisch- serbischen Führung gibt es eine dritte Partei, die sich freuen darf: die Öffentlichkeit. Denn die im harschen Streit gelockerten Zungen lüften, ähnlich wie bei einer zerbrechenden Beziehungskiste, ein Zipfelchen der vorher verschleierten Wahrheit. Plötzlich wird da in Belgrad beklagt, was vorher bestritten wurde. Daß die bosnisch-serbische Führung paramilitärische Einheiten zuließ, die nichtserbische Bürger verfolgten und malträtierten; daß die bosnisch-serbische Führung in kriminelle Aktivitäten verstrickt war; daß sie es nicht für nötig befand, sich vom Volke in demokratischen Wahlen zu legitimieren. Und nicht zuletzt: daß Karadžić und seine Leute eine Hypothek bilden für Serbiens Zukunft.

Alles dies ist richtig. Nur, wer bisher diese Wahrheiten öffentlich aussprach, wurde nicht nur von serbischen Regierungsstellen, sondern auch im Ausland der antiserbischen Propaganda beschuldigt. Journalisten wurden der „schlampigen“ Recherche oder der „Einseitigkeit“ verdächtigt. So markieren die vom Präsidenten Rest-Jugoslawiens geäußerten Anschuldigungen mehr als nur einen Angriff auf Karadžić und seine Leute. Die Wahrheit ist jetzt auch in Serbien offiziell ausgesprochen. Und sie wird in ihrer Unerbittlichkeit auch im Ausland die Zusammenhänge dieses Krieges noch einmal deutlich machen.

Bleibt noch die Frage nach der serbischen Opposition. Die wenigen Aufrechten, die FriedensaktivistInnen oder bekannte Persönlichkeiten wie der ehemalige Belgrader Bürgermeister Bogdan Bogdanović haben in der serbischen Öffentlichkeit nur wenig Resonanz gefunden. Ihre Hinweise auf den Massenmord, die Vergewaltigungen und auf andere Verbrechen wurden übergangen, ihre Warnungen vor den Geistern, die da losgelassen wurden, heruntergespielt und als unglaubwürdig hingestellt – und das nicht nur seitens des Regimes. Sollte Präsident Zoran Lilićs Interview nicht nur ein Ausrutscher sein – und das ist im Milošević-Staat nicht anzunehmen –, müßte es auch einen Neubeginn gegenüber der demokratischen Opposition Serbiens markieren. Dieser Neubeginn ist bitter nötig, schon aus ökonomischen Gründen. Jene zigtausend gut ausgebildeten Fachkräfte, die, ohne öffentlich zu protestieren, schon zu Beginn des Krieges Serbien den Rücken kehrten, werden nur zurückkehren, wenn sie die Kursänderung der Belgrader Regierenden für glaubhaft halten. Und dazu gehört ein neues Verhältnis zu denen, die, so schwach und inkonsequent auch immer, die „großserbische“ Politik verurteilten. Erich Rathfelder