Löscht das Feuer, löscht den Durst ...

Dolgenbrodt, das in die Schlagzeilen kam, weil Bürger rechtsradikale Brandstifter gedungen haben sollen, versucht die Imagekorrektur: Feuerwehrfest gegen Femdenfeindlichkeit – aber ohne Ausländer  ■ Von Michaela Schießl

Die Einladung der Freiwilligen Feuerwehr von Dolgenbrodt zum 60jährigen Bestehen wirkt fast wie eine Drohung: „Wir wollen einmal mehr beginnen, Haltung zu zeigen.“ Doch gerade die Haltung der Dolgenbrodter war es, die dem Potsdamer Richter Klaus Przybilla während des Prozesses im Juni die Gänsehaut über den Rücken trieb.

Dem Angeklagten Silvio J. konnte er nicht nachweisen, das Asylbewerberheim in Dolgenbrodt am 1. November 1992 angezündet zu haben. Was er statt dessen feststellte, war die Schuld des Dorfes: „Selbst wenn der Vorwurf des Angeklagten, die Bürger hätten die Brandstifter bezahlt, nicht zutreffen sollte – hier wurde das Klima für eine Brandstiftung geschaffen, das nur noch nach einem Vollstrecker verlangte. Dieser Wille wurde pünktlich ausgeführt, einen Tag bevor die Asylbewerber ankommen sollten. Beneidenswert war in jener Nacht der tiefe Schlaf der Bevölkerung. Nur fünf von 15 Feuerwehrleuten sind zum Löschen gekommen. Zehn haben den Schlaf der Gerechten gepflegt.“

Ihr Feuerwehr-Jubiläum jedoch wollten sich die richterlich Gescholtenen nicht verderben lassen. „Wir nehmen dieses Fest zum Anlaß, uns besonders gast- und fremdenfreundlich zu zeigen. Ein Lichterfest am Abend soll ein Zeichen setzen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, Haß und Gewalt.“ Doch die vollmundige Ankündigung wurde nur halbherzig umgesetzt. Ausländer wurden nicht zum Bier und Wildschweinbraten ins idyllische Nest an der Dahme geladen, in den Grußworten fehlte jeder Bezug zur Ausländerfeindlichkeit. Nur die Feuerwehr war Thema: „Ich weise scharf zurück, daß von dieser Seite Fehler begangen wurden“, schmettert Bürgermeister Karl Pfannenschwarz. Seine Vorgängerin Ute Preißler, die den Skandal seinerzeit zu verantworten hatte, trug statt einer politischen Botschaft lieber ein Gedicht vor: „Löscht das Feuer, löscht den Durst, heute geht es um die Wurst.“

Auf ein Antwortschreiben von Richard von Weizsäcker und Berlins Bürgermeister Eberhard Diepgen warteten die Dolgenbrodter vergebens. Nur Landesvater Manfred Stolpe wollte mit ihnen reden und legte in seiner Grußbotschaft den Finger in die Wunde: „Mit diesem Fest helfen Sie mit, den unrühmlichen Bekanntheitsgrad von Dolgenbrodt durch gute Meldungen aufzubessern.“ Doch mit der Feuerwehr wollte es sich auch der Ministerpräsident so kurz vor der Wahl nicht verderben: „Die freiwillige Feuerwehr hat Vorbildcharakter für das Dorf als menschliche Gemeinschaft.“

Vorbildlich? „Es waren fünf Leute vor Ort, mehr passen gar nicht in den Einsatzwagen“, sagt Feuerwehrchef Klaus Walzer heute. Der Richter dachte anders darüber. Was Anwalt und Bürgermeister Pfannenschwarz auf den Plan ruft: „Dieses Gericht war die traurigste, dilettantischste und deprimierendste Veranstaltung, die ich in meiner 40jährigen Juristenerfahrung erlebt habe.“ Er wollte das Dorf rehabilitiert sehen durch die Verurteilung eines rechtsradikalen Einzeltäters. „Statt dessen ist der Richter der allgemeinen Psychose erlegen, blind auf die Dolgenbrodter einzuschlagen. Und das, wo die Anstiftung durch nichts bewiesen ist.“ Nichts will der Bürgermeister davon hören, daß seine Schäfchen am Brandtag eine Gruppe Rechtsradikaler empfangen hatten, mit den Worten: „Da seid ihr ja endlich, wann brennt das Ding?“ Nichts will er wissen davon, daß die Geschichte von der Anstiftung durch einen Zeugen ans Licht kam, nicht etwa durch die Aussage des späteren Angeklagten. Der Mann spricht für alle: „Schuld an allem ist die Politik.“

Die vier Skinheads, die in Bomberjacken auf dem Fest aufkreuzten, die kennt er nicht. Dafür aber die fünf Bürger, die bei der Europawahl die Republikaner gewählt haben. Aber: „Viel schlimmer ist doch das PDS-Ergebnis. Die haben 35 Prozent der Stimmen bekommen nach der ganzen Hatz gegen das Dorf. Da sieht man, wohin so etwas führt.“