Drogenmord doch kein Bandenkrieg

■ Tod eines Afrikaners: „nur“ Streit zwischen Dealer und Junkie

Nach über drei Monaten Ermittlungen ist es Hamburgs Polizei gelungen, den Tod eines Schwarzafrikaners aufzuklären. Der 15jährige war am Abend des 4. Mai 1994 in der Kehre an der St. Pauli-Hafenstraße tot aufgefunden worden. Der von der Boulevardpresse als „Drogenkrieg zwischen Afrikanern und Albanern“ bezeichnete Fall entpuppte sich jetzt als Messerstecherei zwischen Dealer und Junkie.

Tatsächlich stellte sich der Fall zunächst unter einem ganz anderen Blickwinkel dar. Nur wenige Minuten, nachdem der Afrikaner von Zivilfahndern in seiner Blutlache entdeckt worden war, hatten Kosovo-Albaner einen Landsmann mit Messerstichen im Bauch ins Hafenkrankenhaus gebracht.

Nichts lag näher, als einen Zusammenhang zu vermuten. Denn nach Erkenntnissen der Drogenfahndung machen sich zunehmend Kosovo-Albaner auf dem Hans-Albers-Platz und afrikanische Dealergangs am Hafenrand in Sachen Kokain-Handel Konkurrenz. Polizeisprecher Jens Buck: „Doch wir haben ganz schnell eine andere Sichtweise bekommen.“ Der Albaner hatte den Messerstich nämlich bei einer Privatfehde versetzt bekommen.

Jetzt konnte die Polizei Vollzug melden und einen 19jährigen Polen in einem Kiezhotel festnehmen. Nach intensiver Auswertung zahlreicher Zeugenaussagen hatten Fahnder ihn als mutmaßlichen Täter ermittelt. Kripo-Sprecher Hartmut Kapp: „Er legte nach anfänglichem Leugnen ein Geständnis ab.“ Demnach war es zwischen dem drogensüchtigen Polen und dem afrikanischen Dealer an jenem Abend beim Ankauf von Koks zum Streit gekommen, in dessen Verlauf der Pole ein Messer gezückt und zugestochen habe.

Durch diesen Fall konnte die Polizei wieder einmal unter Beweis stellen, daß die Aufklärungsquote bei Mord und Totschlag mit 90 Prozent weiterhin relativ hoch liegt. Zugleich widerlegte die Mordkommission den CDU-Hardliner Karl-Heinz Ehlers. Der schwelgte jüngst für Hamburg erneut in Horrorvisionen nach amerikanischem Vorbild – angeblich würden die Fälle an Mord und Totschlag dramatisch steigen. Ehlers' Lösung: Eine Freiwilligen-Polizei als Wehrdienstersatz solle zur Entlastung der überlasteten Kriminalpolizei beitragen.

Das polizeiliche Dementi kam prompt und eindeutig. Mit 53 Tötungsdelikten im ersten Halbjahr liege die Hamburger Statistik im Jahrestrend. Und auch die Polizeigewerkschaft reagierte knallhart: „Für Freizeit-Rambos und Amateure gibt es in unseren Reihen keinen Platz“, gab Gewerkschaftschef Joachim Lenders zu Protokoll.

Kai von Appen