■ Aufstieg und Fall des Fikret Abdić
: Im Fadenkreuz der Interessen

Eigentlich hätte er nur eine Fußnote in der Darstellung dieses Krieges verdient gehabt, der selbsternannte Führer der muslimisch dominierten Minirepublik „Westbosnien“, Fikret Abdić. Denn er ist weder als Politiker noch als Mensch überzeugend aufgetreten. Zwar wird mit seiner Flucht und dem Exodus Tausender seiner Anhänger eine Dramaturgie betrieben, die große Aufmerksamkeit auf sich zieht. Aber nicht deshalb ist er jetzt bedeutsam geworden, sondern weil an seiner Person zu studieren ist, wie der Aufstieg und der Fall einer politischen Figur abhängig ist von äußeren politischen Konstellationen.

Fikret Abdićs Auftritt in der politischen Arena verdankt sich der internationalen Politik. Kein Geringerer als der für die EU tätige Unterhänder Lord Owen baute das damalige bosnische Präsidiumsmitglied Fikret Abdić nach dem Scheitern des Vance/Owen- Plans im Juni 1993 auf. Die Absicht: Abdić sollte einen Keil in die bosnische Führung treiben. Die Aufteilung Bosniens sollte durch die Bosnier selbst abgesegnet werden. Weil auch die serbische und die kroatische Führung ein großes Interesse an der Schwächung Bosniens hatten – beide wollten ja Bosnien unter sich aufteilen –, kam ihnen ein Präsident „Westbosniens“, der die bedingungslose Kapitulation Rest-Bosniens versprochen hatte, gerade recht. So ist es einleuchtend, daß der auf dem Gebiet der Firma „Agrokomerc“ errichtete Ministaat von beiden Seiten mit freien Zufahrtswegen und auch mit Waffen unterstützt wurde – er fungierte alsbald als Drehscheibe zur Umgehung des Embargos gegen Serbien. Die Theorie, in Bosnien handele es sich um einen Bürgerkrieg, bekam zudem durch Abdićs Auftritt Auftrieb: Für welche Seite wollte man da noch intervenieren?

Weil Fikret Abdićs Versprechen, den Krieg durch die Kapitulation Bosniens zu beenden, an dem Widerstand der bosnischen Bevölkerung gescheitert ist, weil es der bosnischen Armee trotz der Hungerblockade des letzten Winters gelang, sowohl die kroatische HVO zu schlagen als auch die Armee der bosnischen Serben in Schach zu halten, weil also Bosnien nicht kapitulieren mußte, wurden die Kalküle in Serbien und Kroatien und manchen internationalen Unterhändlern durchkreuzt. Als sich international eine neue Koalition entwickelte, war kein Platz für Abdić mehr übrig. Nachdem nämlich die US-amerikanische Außenpolitik umschwenkte und – gemeinsam mit Deutschland – Druck auf Kroatien ausübte, um den Krieg in Bosnien zu beenden, sank sein Stern. Fikret Abdićs Sturz ist ein weiteres Hoffnungszeichen für Bosniens Zukunft. Erich Rathfelder