Grüner Streit um die Frauenquote

Die Bündnisgrünen streiten vor Gericht um die Listenaufstellung im Kreisverband Rhein-Sieg / Platz eins für einen Mann erregt die alternative Seele / Neuer Fundi-Realo-Streit?  ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Der Clinch hat etwas Nostalgisches. Gefochten wird mit Begriffen aus den Zeiten des schönsten Fundi-Realo-Gebrülls. Die einen fürchten, daß eine „Säule der grünen Politik“ Schaden nimmt, die anderen sehen sich als „Opfer“ in einem „Realo-Fundi-Konflikt“.

Heraufbeschworen wurde der parteiinterne Zoff durch die grüne Mitgliederversammlung im Kreisverband Rhein-Sieg. Anfang des Jahres nahmen sich die Delegierten bei der Aufstellung der Kreistagsliste die Freiheit, einen Mann auf Platz eins zu wählen. Die bisherige Spitzenkandidatin Ruth Bönisch fiel glatt durch – 53 Anwesende wollten den Mann, nur 30 die Frau.

Zusammen mit weiteren 13 Personen ging die unterlegene Kandidatin gegen diesen Beschluß zunächst parteiintern vor. Doch das Landesschiedsgericht folgte ihr nicht. Die parteiinternen RichterInnen wiesen den Antrag, die Aufstellung der Kreistagsliste für ungültig zu erklären, zurück. Für staatliche Wahlen sei das Frauenstatut, das für den Regelfall die Nominierung einer Frau auf Platz eins vorsieht, unbeachtlich, weil es gegen Wahlrechtsgrundsätze des Grundgesetzes verstoße. Doch der Beschluß hatte nicht lange Bestand. Das Bundesschiedsgericht gab den Klägerinnen recht und erklärte die Aufstellung der Liste für unwirksam. Der Düsseldorfer Landesvorstand wurde aufgefordert, quasi als Vollzugsorgan des Bundesschiedsgerichtes tätig zu werden und die staatlichen Wahlbehörden zu informieren, daß die angefochtene Liste mit dem Mann als Spitzenkandidat nicht zur Kreistagswahl eingereicht wird.

Der Kreisvorstand Rhein-Sieg schlug umgehend unter Einschaltung der Justiz zurück – und gewann. Per einstweiliger Verfügung untersagte das Düsseldorfer Landgericht dem Landesvorstand, den Beschluß des Bundesschiedsgerichtes zu vollziehen. Weil der Landesvorstand Widerspruch einlegte, muß nun das Landgericht noch in dieser Woche mündlich über den Streit entscheiden.

Eile ist geboten. Am kommenden Montag läuft die Frist zur Einreichung einer neuen Liste aus. Sollte das Gericht dem Landesvorstand folgen, müßte eine Kreisdelegiertenkonferenz bis Montag eine neue Liste wählen. Zeitlich wäre das kaum zu schaffen. Für die harte Linie des Bundesschiedsgerichtes und des Landesvorstands hat Maren Schüpphaus, Mitglied des Kreisvorstandes Rhein-Sieg, nur eine Erklärung: „Es geht nicht um eine Frau-Mann-Auseinandersetzung, sondern um einen Fundi- Realo-Streit“. Schüpphaus spricht von einer „Politik der verbrannten Erde“, denn andere Kreisverbände „werden nicht annähernd so aufmerksam betreut“. Weil die Frauen die Plätze zwei, vier, sechs, sieben und neun der umstrittenen Liste belegten, sei die Parität bei dem erwarteten Wahlergebnis ohnehin gewahrt. Für den Fall der Fälle habe der Mann auf Platz 5 im übrigen seinen Rücktritt angeboten.

Für die Sprecherin des Landesvorstands, Barbara Steffens, stehen in dem Streit frauenpolitische Grundsätze auf dem Spiel. Ein Mann könne wie in Münster und anderen Städten zwar auf Platz eins gewählt werden, aber nur mit Zustimmung der Frauen. Tatsächlich sieht das Frauenstatut ein Vetorecht vor. Wenn das aufgeweicht werde, verkomme die Frauenförderung zu einem „Gnadenrecht“. Deshalb sei die Einhaltung der „formellen Spielregeln“ so wichtig. Falls das Gericht dem Landesvorstand recht gibt, will man den Beschluß auf jeden Fall durchsetzen. Dabei schreckt Steffens auch vor einer Amtsenthebung des Kreisvorstandes nicht zurück. „Wenn es zeitlich möglich ist“, müsse man auch diesen Weg beschreiten.