Jetzt offiziell: CDU/CSU für weniger Sozialhilfe

■ „Zumutbare Arbeit“ müßte dann nicht mehr unbedingt gemeinnützig sein / Kritiker aus der CDU stimmten auf der Vorstandssitzung nicht dagegen

Bonn (taz) – Die Unionsparteien haben bekräftigt, daß nach der Wahl die Sozialhilfe für arbeitsfähige Leistungsempfänger gekürzt werden soll, die eine zumutbare Arbeit ablehnen. Die Führungsgremien von CDU und CSU haben gestern in Bonn und Berlin jeweils einstimmig das gemeinsame Wahlprogramm verabschiedet, das diesen Vorschlag enthält. CDU-Generalsekretär Peter Hintze wies nach der Sitzung des CDU-Bundesvorstands konkrete Fragen über Umfang und Durchführung zurück: „Das ist kein statistisches Problem, sondern ein prinzipielles.“ Prinzipiell will die Union die Sozialhilfekassen entlasten. Hintze: „Jeder, der eine vorhandene und ihm zumutbare Tätigkeit ablehnt, muß eine Kürzung erfahren.“

Neben der Peitsche soll aber auch das Zuckerbrot eingesetzt werden: Die Einkommen aus solchen Tätigkeiten sollen künftig in geringerer Höhe auf die Sozialhilfe angerechnet werden. Das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) sieht bereits jetzt vor, daß die Verweigerung von zugewiesener Arbeit mit Sanktionen belegt werden kann. Hintze räumte ein, daß der Vorschlag nicht neu ist. Aber: „Wir wollen dem BSHG wieder Geltung verschaffen.“ Neu ist allerdings, daß die Union Sozialhilfeempfängern nicht nur die „gemeinützigen Arbeiten“, sondern Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts andienen will. Hintze äußerte sich über die Beschäftigungseffekte nicht, verriet aber: „Der Zumutbarkeitsbegriff des BSHG wird nicht verändert, aber der der Arbeitsämter.“ Tatsächlich könnte nach diesen Vorstellungen ein Sozialhilfeempfänger künftig zu Tätigkeiten genötigt werden, die er als Arbeitslosengeldbezieher noch hatte ablehnen können. Die Beschränkung auf gemeinnützige Arbeiten entfiele. Neben heftiger Kritik von SPD und Wohlfahrtsverbänden hatten die Vorschläge in den letzten Tagen auch zu Diskussionen innerhalb der Union geführt.

Dem Koalitionspartner FDP bietet das 65-Seiten-Werk der Unionsparteien insbesondere mit seinen Festlegungen zum Ausländerrecht Stoff für Eigenprofilierung (siehe auch Seite 4). Nach dem Willen der CDU sollen auch künftig Kinder ausländischer Eltern nicht durch Geburt allein die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben können. Nach Beschlußlage der Union ist Deutschland weder gegenwärtig noch zukünftig ein Einwanderungsland. Hintze kündigte an, daß Kohl und Waigel das Programm am Donnerstag, er selbst am Mittwoch die mit Spannung erwarteten Slogans und sonstigen Wahlkampfeinfälle des Adenauerhauses vorstellen werden. Tissy Bruns