Schlappe für Mexikos Linke

■ Partei der Institutionalisierten Revolution siegt bei Präsidentenwahl / Linke erhält 15 Prozent

Die Würfel sind gefallen: Auch der nächste Präsident Mexikos wird wieder aus den Reihen der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) kommen. Bei den mit Spannung erwarteten „Jahrhundertwahlen“ 1994 haben 47 Prozent der mexikanischen WahlbürgerInnen für den PRI-Kandidaten Ernesto Zedillo gestimmt. Ob der 43jährige Ökonom, der erst vor vier Monaten für seinen ermordeten Vorgänger Luis Donaldo Colosio eingesprungen war, es entgegen allen Voraussagen sogar geschafft hat, seiner Partei wieder die gewohnte absolute Mehrheit zu beschaffen, stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest. Wie das Bundeswahlinstitut außerdem mitteilte, konnte der Kandidat der konservativen Nationalen Aktion (PAN), Diego Fernández de Cevallos, immerhin ein knappes Drittel der Stimmen (rund 31 Prozent) auf der Basis der ersten 14.000 ausgewählten Wahllokale für sich verbuchen, während der Anwärter der linksliberalen Partei der Demokratischen Revolution (PRD), Cuauhtémoc Cardenas, auf magere 15,5 Prozent der ersten Teilauszählung kam. Ohne Bedeutung blieben erwartungsgemäß die sechs Kleinstparteien, die die restlichen 6 Prozent der Stimmen unter sich aufteilten.

Zwar wurde von allen Seiten die „außerordentlich große Wahlbeteiligung“ gelobt – die zur Stunde allerdings noch nicht zu beziffern ist –, ansonsten aber waren die Kommentatoren überraschend zurückhaltend. Selbst der mutmaßliche Wahlsieger, Ernesto Zedillo, hütete sich vor allzu triumphierenden Tönen: „In diesem Sieg sollten wir alle Platz haben. Es gibt keine Sieger und keine Besiegten: Gesiegt hat nur die Demokratie.“ Während die Rede des PAN-Kandidaten allgemein als versteckte Anerkennung des PRI-Sieges interpretiert wurde – den friedlichen Verlauf des Wahltages bezeichnete er als „Erfolg der Regierung“ –, mochten sich PRD-Unterstützer zu den ersten Hochrechnungen überhaupt nicht näher äußern. Als „verdächtig“ und „verfrüht“ bezeichnete PRI- Aussteiger Demetrio Sodo de la Tijera die Ergebnisse der Stichproben von PRI- nahen Institutionen wie der staatlichen Radio- und Fernsehkammer oder dem Fernsehkonsortium Azteca. Und auch der Historiker Adolfo Cilly, einer der engsten Cardenas-Berater, mahnte zu „Gelassenheit und Rationalität“, damit die endgültigen Ergebnisse, die für den kommenden Mittwoch erwartet werden, und die Qualität des Wahlprozesses „in Ruhe“ analysiert werden könnten.

Besonders diese Qualität ließ offensichtlich, trotz aller offiziellen „Transparenz“-Verheißungen, einiges zu wünschen übrig. Im Pressezentrum der Bürgerallianz Alianza Civica – nicht zufällig der Haupttreffpunkt der internationalen Medien – wurde fast stündlich über Ungereimtheiten der Wahlprozedur berichtet. Die 10.000 BeobachterInnen, die von Alianza auf die Wahllokale des Landes verteilt worden waren, hatten anhand eines Leitfadens minutiös das Gesehene protokolliert: unablösbare Tinte – als Wahlmarkierung gedacht – die dann doch auf wundersame Weise abwaschbar wurde; WählerInnen, die trotz geschwärzten Fingers ihre Stimme abgeben durften, und solche, die gar nicht im Wahlregister auftauchten. WählerInnen, die ihren Namen gar nicht erst im Wahlregister fanden, wurden bei immerhin 70 Prozent einer Stichprobe von über 740 Wahllokalen gefunden.

Anne Huffschmid Seite 10