Sanssouci
: Nachschlag

■ Die polnischen Kulturtage im SchauPlatz-Theater

Eigentlich wollte er ja nur Rosen verkaufen. Und dann fand er sich plötzlich mitten in der Vorstellung des Kreuzberger SchauPlatz-Theaters wieder. Völlig verwirrt um sich blickend, hob er zögernd seinen Rosenstrauß in die Höhe. Neben ihm auf der Bühne machte einer verzweifelte Pinselstriche auf eine imaginäre Leinwand, ein anderer begleitete diese immer wilder werdenden Bewegungen mit schrägen Baßklängen. Dazu die harte, ironische Stimme eines Dritten: „...und es würde schwer sein zu unterscheiden, was er nur geträumt und was er wirklich erlebt hatte.“ Die szenische Lesung aus Stanislaw Przybyszewskis Roman „Der Schrei“ war eine der zahlreichen Veranstaltungen im Rahmen der Polnischen Kulturtage. Ein bißchen chaotisch war das Ganze schon. Manch einer im Publikum wird die Verwirrung des Rosenverkäufers nachempfunden haben.

Vier Tage lang gab es hier für jedermann und umsonst Theaterstücke, Ausstellungen, Live-Musik, Videos und Performances von polnischen und deutschen Künstlern. „Frischer Wind aus dem Osten“, polnische Subkultur sollte nach Berlin gebracht werden – ganz in der Tradition der Kultur-Avantgarde in Polen. Des öfteren hätte man sich bitterlich gewünscht, Polnisch zu können, zum Beispiel als ein Künstler der aus Danzig stammenden Kunstbewegung „Tot-Art“ polnische Gedichte vortrug. Vielleicht Non-Sense-Gedichte? Die Wörter reimten sich jedenfalls sehr lustig, und das sprachkundige Publikum bog sich vor Lachen. An Musik gab's alles, von Jazz über Punk bis Techno. Es spielten u. a. die Rockband „Mondo Cane“ aus Krakow, „Ego“ und die Jazzgruppe „Milośc“ („Liebe“) aus Danzig, die für große Stimmung sorgte, am Samstag auch draußen auf einer Straßenbühne in Verbindung mit einem Kiezfest.

In der „Tot-Art“-Nacht wurde die „alle Grenzen überwindene Megasprache ,Zlew‘“ vorgestellt. Bis zum Ende war leider nicht herauszubekommen, was diese Megasprache nun eigentlich ausmachte. Ganz in Dada-Manier, aber nicht nur mit Sprachspielereien wurde das Publikum attackiert: mit einer quietschenden Baßgitarre. Mit Rülpsern ins Mikrophon. Mit Zungeherausstrecken. Anschließend spielten die Musiker dann schön wild durcheinander (war ja auch als „strange music“ angekündigt), um sich schließlich bei „Alle meine Entchen“ zu treffen. Beim Lesen einer seiner Geschichten auf deutsch verwechselte einer der „Tot-Art“-Künstler immer wieder die Seiten, las falsche Ausschnitte vor, übersprang schwierig auszusprechende Wörter ganz, um dann verschmitzt mitzuteilen, daß die ganze Geschichte ja sowieso nicht wichtig sei. Auf der kleinen Bühne landeten zu guter Letzt Eier.

Aber das geduldige Publikum verzieh gutmütig. Schließlich gab es im Keller auch für alle umsonst selbstgebackenes Brot mit Schinken und Käse und Bier für eine Mark. Wer eigentlich zu den Beteiligten und wer zu den Zuschauern gehörte, war nicht ganz klar. Die meisten schienen sich zu kennen. Und der Spaß an der deutsch-polnischen Begegnung war am Ende wohl ohnehin das Wichtigste. Bis spät in die Nacht hinein wurde gefeiert, so doll, daß am Sonntag die letzten Veranstaltungen ausfielen: Es herrschte Katerstimmung, und einige der Künstler aus Danzig mußten sich schon früh auf die Socken machten, um am Montag wieder pünktlich bei der Arbeit zu sein. Henriette Klose