■ Österreichs Kanzlergattin Christine Vranitzky schlägt vor:: „Golfspielen statt Drogen“
Wien/Berlin (taz) – Vor 200 Jahren schockierte eine gewisse Marie Antoinette sterbende Hungernde mit dem Ausspruch, wenn es kein Brot gebe, sollten sie doch Kuchen essen. Österreichs Kanzler-Ehefrau Christine Vranitzky ist zwar eine Frau von heute, doch knüpft sie an die entrückten Gedanken der französischen Königin von gestern an, als sie jüngst die von Problemen geplagten Mütter verhöhnte. Mehrere Thesen stellte die stets fesch gewandete Christine Vranitzky auf, die brisanteste: „Für mich wär' die Politik nichts. Denn ich könnte nicht lügen oder mich zurückhalten.“ Bedeutet das jetzt, daß ihr Mann, der Kanzler, ein Lügner ist?
Dann legte sie gegenüber dem Nachrichtenmagazin profil ihrerseits Zurückhaltung ab: „Wenn Kinder nach dem Lernen auf den Golfplatz gehen, kommen ihnen sicher Drogen nicht in den Sinn.“ Das ganz besondere Handicap des heutigen Österreich sind arme Mütter: „Ich halte nichts davon, daß Frauen Kinder kriegen und sie um sieben Uhr früh abgeben, um dann vielleicht vier- oder fünftausend Schilling (ca. 560 bis 700 Mark) zu verdienen. Die Kinder kriegen und dann wegrennen ist das Feigste.“ Weshalb sie mutig die Zügel straffziehen will: „Man sollte im Rahmen des Mutter- Kind-Passes noch einen Kurs dranhängen, damit nicht 18jährige Mütter die Kinder husch ins Bettchen legen und dann zum Heurigen gehen.“ In diesem Zusammenhang forderte die Politikergattin einen „Kinder-Führerschein“.
Ihre Ansichten schlugen in Österreichs Sommerloch wie eine Bombe ein. Nach Österreichs Bundespräsident Klestil hat nun auch der Kanzler schlechte Presse wegen seiner Familie. Während in Deutschland, aus guten Gründen, die Politikerfamilien tabu sind, haben sowohl Vranitzky als auch Klestil ihre Familie ganz bewußt so präsentiert, als sei allein die „heile Familienwelt“ von Vranitzky ein Grund, sie zu wählen. Während Klestil eine Liaison mit seiner Wahlkampfchefin zum Verhängnis wurde, muß sich SPÖ-Chef Vranitzky mit den mittelalterlichen Ansichten seiner Frau herumärgern. Das Pikante daran: Die Affaire um den seitenspringenden Präsidenten konnte sich zuerst das gerade mal zwei Jahre auf dem Markt befindliche Magazin News auf die Titelseiten heften, die „Golf statt Drogen“-Thesen das Konkurrenzmagazin profil. Seit Wochen schon haben die beiden miteinander konkurrierenden Nachrichtenmagazine ihre Titelblätter auf die Politikerfrauen-Geschichten umgestellt; sogar die Boulevardzeitungen sind dankbar. Die mitregierende ÖVP freut sich auch, denn sie hofft auf die Stimmen verärgerter Frauen.
Besonders pikant an der Geschichte der Familie Vranitzky: Die Kanzlergattin veranstaltet regelmäßig ein Turnier, dessen Einnahmen dem Antidrogenkampf zugute kommen sollen. Die Sportart, na klar, ist Golf. Die Veranstaltung wird von einer Agentur betreut, in deren Reihen wiederum der Name Vranitzky eine Rolle spielt: Claudia Vranitzky bezieht dort keineswegs vier- bis fünftausend Schillinge, sondern um die 56.000 Schillinge (8.000 DM) im Monat plus Dienstwagen. Die Firma erhält obendrein im Jahr umgerechnet 140.000 DM Staatssubventionen – womit nach Kanzlertochter-Gehalt und -Dienstwagen noch ein bißchen Geld für die Firmen-Kaffeetasse übrigbleibt. Die Kanzlertochter muß also nicht für 5.000 Schilling aufstehen – der Staat gibt's ja den Seinen. Dafür widmet sie sich dem Kampf „Sport gegen Drogen“, eine köstliche Umschreibung der Kanzlerfrau- Idee „Golf gegen Drogen“. Vielleicht sollte die Kampagne umbenannt werden in „Laßt tausend Golfplätze blühen“? Falk Madeja
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