Heiße Luft aus Deutschland

Auf der Klima-Vorbereitungskonferenz enttäuscht die Bundesregierung alle Hoffnungen der Umweltschützer auf Taten statt Worte  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Die Bundesregierung hat sich gestern dafür ausgesprochen, daß die erste Nachfolgekonferenz zum Rio-Gipfel im Frühjahr 1995 in Berlin ein Zusatzprotokoll verabschiedet, das Ergänzungen zur Klima-Konvention verabschiedet. Allerdings legte die deutsche Delegation bei den Genfer Vorbereitungsverhandlungen für die Berliner Konferenz lediglich ein unverbindliches „Positionspapier“ mit möglichen „Elementen“ für ein Zusatzprotokoll vor. Einen offiziellen Protokollentwurf – der allen anderen Vertragsstaaten bis spätestens 28. September unterbreitet werden müßte – wird Bonn mit Rücksicht auf die derzeitige EU- Präsidentschaft Deutschlands und wegen anhaltender Differenzen zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium nicht einbringen.

Da auch kein anderer Staat eine entsprechende Absicht signalisiert hat, vertraten Vertreter von Umweltorganisationen gestern in Genf die Einschätzung, daß ein Zusatzprotokoll zur Klima-Konvention nun frühestens auf der zweiten Rio-Nachfolgekonferenz im Jahre 1996 beschlossen wird.

In Berlin sollten sich die Industrieländer unter den Vertragsstaaten zur „Stabilisierung“ ihrer Kohlendioxid-Emissionen (CO2) „bis zum Jahr 2000 auf der Basis von 1990 verpflichten“, schlägt die Bundesregierung als erstes „Element“ für ein Protokoll vor. CO2 hat einen Anteil von über 50 Prozent an allen Treibhausgasen, bei weiterhin steigender Tendenz. Die Klima-Konvention von Rio enthält lediglich eine völkerrechtlich unverbindliche Absichtserklärung zur Stabilisierung der CO2-Emissionen auf dem Niveau von 1990 ohne Festlegung einer zeitlichen Frist. Über die Stabilisierung hinaus – so das „Postionspapier“ – sei „für die Zeit nach 2000 eine anspruchsvolle Reduktion von CO2 erforderlich“. Statt konkrete Werte zu nennen, regt Bonn lediglich eine „Verpflichtung“ der Industriestaaten an, „ihre CO2-Emissionen einzeln oder gemeinsam bis zum Jahr (x) um (y) Prozent zu reduzieren“.

Die im „Klima-Netzwerk Europa“ zusammengeschlossenen Umweltorganisationen stellten gestern in Genf einen Entwurf für ein in Berlin zu beschließendes Protokoll vor, in dem eine Reduzierung der CO2-Emissionen unter das Niveau von 1990 um mindestes 20 Prozent bis zum Jahr 2005 gefordert wird. Für dieselbe Größenordnung hatte sich am Montag auch Greenpeace ausgesprochen.

Weitere mögliche „Elemente“ eines Protokolls laut Bundesregierung: Beschlüsse einzelner Industriestaaten oder der EU zur Verbesserung des Energie-Effizienz von Groß- und Kleinfeuerungsanlagen, zur verbesserten Abwärmenutzung und zur „Kennzeichnung“ des Energieverbrauchs bei elektrischen Geräten; außerdem sollen „Maßnahmen“ ergriffen werden zur Entwicklung, Erzeugung und verstärktem Einsatz erneuerbarer Energien.

Im Verkehrsbereich schlägt Bonn Beschlüsse und Maßnahmen vor, „um bis zum Jahr 2005 schrittweise einen durschschnittlichen Kraftstoffverbrauch von möglichst fünf Liter pro 100 Kilomter für neu zum Verkehr zugelassene PKW zu erreichen“. Weitere „Elemente“ eines Protokolls könnten Maßnahmen zum Erhalt der Wälder und zur Reduzierung der anderen Treibhausgase Methan, Dickstickstoffoxid und Fluorkohlenwasserstoffe sein.

Erst in der Nacht zu gestern war nach heftigen Auseinandersetzungen zwischen dem Umweltministerium und dem Wirtschaftsministerium die Einigung auf das Bonner „Positionspapier“ gelungen. Der von Umweltminister Töpfer zunächst angekündigte Protokollentwurf scheiterte am Wirtschaftsministerium. Allerdings verwiesen auch Beamte aus dem Töpferministerium auf die „schwierige Rolle“ Deutschlands als EU-Präsident.

Vor allem in Großbritannien und Spanien gibt es massiven Widerstand gegen Verpflichtungen, die über die Klima-Konvention von Rio hinausgehen. Aber auch Frankreich hat sich dem Vernehmen nach bei Konsultationen im Vorfeld der Genfer Verhandlungen gegen die Festlegung verbindlicher zeitlicher Fristen ausgesprochen. Für die Bundesregierung hat die gemeinsame Haltung der EU absolute Priorität. Dies wurde vor den Genfer Verhandlungen auch von den Regierungen einiger anderer EU-Mitgliedsländer noch einmal ausdrücklich bekräftigt.

Bislang hält sich auch Dänemark an die „EU-Disziplin“. Gerüchte, wonach Dänemark während der Genfer Verhandlungen einen formalen Protokollentwurf einbringen werde, wurden von der dänischen Delegation gestern nicht bestätigt. Trotz dieser Situation klammern sich die Vertreter einiger Umweltorganisationen noch an die von Mitgliedern der deutschen Regierungsdelegation in Genf verbreitete Aussicht, die Bundesregierung werde auf einer für den 7. September nach Brüssel einberufenen Sitzung hoher Beamter der zwölf Umweltministerien möglicherweise einen Vorstoß für ein von der EU gemeinsam eingebrachtes Protokoll auf der Basis der gestern vorgestellten „Elemente“ machen.

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