■ Cash & Crash
: Durch Indiens Börsengestrüpp

Als im Frühjahr 1992 die Kurse an der Aktienbörse von Bombay historische Höchststände erreichten, sah sich Finanzminister Manmohan Singh in seiner Reformpolitik bestätigt. Doch der Boom dauerte nur vier Monate. Bald wurde ruchbar, daß die meisten Aktiengeschäfte durch einen einzigen Makler namens Harshad Mehta getätigt wurden. Als eine Reporterin der Times of India Mehtas Milliarden nachging, stieß sie bald auf die sprudelnde Geldquelle: Mehta und seine Kumpanen hatte Staatspapiere gehandelt und dabei anstelle des physischen Transfers der Wertschriften nur Quittungen ausgestellt.

Dies genügte mehreren Banken, den Maklern Hunderte von Millionen Rupien auszuhändigen. Mit diesem Geld trieben diese dann die Kurse in unrealistische Höhen. Als der Skandal platzte, fielen die Kurse um die Hälfte zusammen. Den Schaden hatten auch Millionen von Kleinanlegern, die sich zum erstenmal an die Börse gewagt hatten.

Die Nachforschungen der Kriminalpolizei, einer parlamentarischen Untersuchungskommission und der Zentralbank öffneten eine Pandorabüchse von Praktiken, welche von legitimen Bankgeschäften bis zu Betrug reichten und auch Verbindungen bis in die Regierung hinein freilegten. Vor zwei Wochen dann unterbreitete die Regierung dem Parlament einen Rechenschaftsbericht. Er enthält eine Reihe von Maßnahmen, die eine Wiederholung des Skandals verunmöglichen sollen. Gleichzeitig wischte er aber die Verdachtsmomente gegen zwei Minister vom Tisch — sehr zur Entrüstung des Parlaments.

Das kam aber seinerseits mit den Untersuchungen nicht recht weiter. Ein Grund dafür ist das Gestrüpp von Vorschriften, die sich teilweise widersprechen. Die archaische Registrierung von Wertschriften in riesigen Büchern brach zusammen, als die Regierung im ersten Reformrausch plötzlich die Zinsvorschriften für Staatspapiere aufhob und das Volumen gehandelter Papiere ins Hundertfache stieg.

Dabei gibt es indische Softwarefirmen, die heute in der elektronischen Erfassung von Börsengeschäften internationale Standards setzen, wie die „Tata Consultancy Services“, die für die schweizerische SEGA ein System für das elektronische Settlement gehandelter Papiere entwickelt hat. Das Beispiel ist symptomatisch für die Lage Indiens — eingeklemmt in bürokratischen Praktiken kann es das eigene Potential nicht zum eigenen Nutzen einsetzen. Bernard Imhasly