Und die Leugner prügelten doch

■ Hartnäckig bestritten die vier Leipziger Streifenpolizisten im Prozeß bis zuletzt die ihnen zur Last gelegten Übergriffe

Leipzig (taz) – Spannender hätte dieser Prozeß gar nicht enden können. Vor dem Leipziger Landgericht mußten sich vier Streifenpolizisten aus dem Revier Markkleeberg für eine Serie von Mißhandlungen vietnamesischer Zigarettenhändler und eines deutschen Jugendlichen verantworten. Bis zuletzt leugneten die auf Probe verbeamteten Ordnungshüter hartnäckig nicht nur jede Beteiligung an kriminellen Aktionen. Sie inszenierten sich als Opfer eines Racheaktes von „Stammkunden“ ihres Revieres.

Sogenannte „objektive Beweismittel“ waren rar, deshalb mußte sich die Anklage nahezu vollständig auf die Aussagen der Opfer stützen. Für die Verteidiger eine gute Chance, mit Beweisanträgen an diesem Gerüst zu sägen. Doch niemand wird Richter Norbert Röger vorwerfen können, damit leichtfertig umgegangen zu sein. Aus dem zunächst mit vier Verhandlungstagen angesetzten „kurzen Prozeß“ wurde durch eben diese Beweisanträge ein den Sommer füllendes Programm. Daß die Last der Beweise den vier Angeklagten schließlich auf die Füße fiel, ist den strafbaren Tatsachen geschuldet und nicht, wie einer der Anwälte unterstellte, dem „politischen Charakter“ des Prozesses.

Als schärfste Waffe blieb der Verteidigung schließlich, die Opfer als „unglaubwürdig“ zu denunzieren. Gegen den 18jährigen Rene Sch. liefen oder laufen noch 33 Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls, Einbruchs, Fahrens ohne Führerschein. Am 29. Juni vergangenen Jahres wurde er vor einem Jugendklub durch Ronny K. (24) festgenommen und in den Streifenwagen verfrachtet. Der Polizist fuhr sein Opfer in ein Tagebaugelände und verprügelte es dort mit dem Schlagstock. Rene Sch. sollte einen Diebstahl zugeben. Am gleichen Tag lief der Jugendliche noch einmal Polizisten in die Quere. Wie für Ronny K. war er auch für Roger A. (33) und Klaus S. (55) ein rotes Tuch: Sie schnappten sich den kleinen Ganoven und gaben ihm eine Lektion mit dem Knüppel, diesmal „nur vorbeugend“. Einen Monat später wurde Rene Sch. von Ronny K., Roger A. und Günther U. (49) beim Klauen erwischt. Diesmal trat vor allem Ronny K. kräftig zu, in die Hoden und die Leistengegend. Angezeigt hat die Polizisten aber nicht das Opfer, sondern dessen Mutter. Für Staatsanwältin Sybille Petersen wie für die Kammer ein Fakt, der gegen ein „Verschwörungskomplott“ spricht.

Vietnamesische ZigarettenhändlerInnen vor dem Supermarkt waren den Polizisten schon lange ein Dorn im Auge. Roger A. berichtete von „Bürgerbeschwerden“ und meist erfolglosen „Routinekontrollen“. Am 14. August vorigen Jahres vergriffen sich Ronny K. und Roger A. an zwei Männern und einer Frau. Sie brachten die VietnamesInnen nach der Ausweiskontrolle in das Tagebaugelände, verprügelten sie dort und besprühten sie mit Reizgas. Auch diese Opfer zeigten ihre Peiniger nicht selbst an. Erst ein aus einem westlichen Bundesland nach Leipzig auf Besuch gekommener Vietnamese brachte die Tat ans Licht. Auch er wurde Opfer von Ronny K.s Selbstjustiz, sprach dann mit seinen Leipziger Freunden darüber und erstattete Anzeige. Alle betroffenen Zeugen identifizierten die Polizisten zweifelsfrei.

Unterm Strich blieben der Strafkammer „keine durchgreifenden Zweifel“ an der Glaubwürdigkeit der Zeugen. Ronny K. muß für Aussageerpressung, Freiheitsberaubung, Körperverletzung im Amt, gemeinschaftliche Körperverletzung und schweren Raub im Amt eine Haftstrafe von 3 Jahren, 9 Monaten verbüßen. Bei der Polizei war er die längste Zeit, wie auch Roger A. und Günther U., die zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt wurden. Klaus S. kam mit einer Geldstrafe davon. Detlef Krell