■ 3-D-Report
: Sie kam, sah und schielte

„Ich fürchte, meine Tochter fängt an zu schielen.“ Verzweifelt versucht die Mutter, die denkwürdigen Augenbewegungen ihrer 15jährigen zu imitieren. Tatsächlich entwickelt sie einen formidablen Silberblick. „Das kommt davon“, versichert die Frau und tippt mit dem Finger immer wieder auf das Drei-D-Buch, das sich die Chronistin im Buchladen anschaut. „Lisa ist ganz närrisch auf diese Dinger, richtig süchtig.“

Ein Besuch bei Lisa beweist, die Mutter hat kaum übertrieben. Lisa kauert auf der Couch und guckt nicht mal aus dem Buch hoch, wenn man sie was fragt. „Das ist so absolut geil“, tönt es aus der Kladde, „ich krieg langsam nen richtigen Farbflash.“ Geschlagene Minuten dauert es, bis Lisa aufhört, ihr Gesicht in hospitalistisch anmutenden Bewegungen immer wieder der Lektüre zu nähern. Endlich legt sie das Buch beiseite - ihr Blick speit bunte Räder. Kein Zweifel, sie versucht mich zu fixieren - ob sie mein zweites Ich erkennt? Jedenfalls gleiten die Augen deutlich an mir vorbei und bleiben am Plüschtier hängen. „Papa, du hier?“

Mutter ist verzweifelt, zumal der Gatte sich bereits vor zwei Monaten in Unsichtbarkeit zurückgezogen hat. „Was meinen Sie, das kann doch nicht normal sein?“ Da stimme ich ihr zu, doch raten kann ich ihr nur zwei Dinge: „Geben Sie Ihrer Tochter viele Karotten und versuchen Sie, sie von der Schieltechnik weg und zur Paralleltechnik hin zu überzeugen.“ Dabei nämlich, heißt es in der Gebrauchsanleitung des Stereogrammbuches, „sollen die Blickrichtungen beider Augen parallel zueienander“, normal also, verlaufen. Daß die Mutter sich daran hält, erweist sich zwei Wochen später. Mit seltsam stierem Blick überreicht sie der Redakteurin eine Kontaktanzeige: „Suche Menschen, die durch dreidimensionales Sehen Augenprobleme haben und mit mir eine Selbsthilfegruppe gründen wollen.“ dah