Schrecken des Hardcorebüffets

■ ...und andere harte und härteste Kost (inkl. Dauerwurst) auf dem „Überschall“-Musikfestival, heute abend im Aladin

Alle Jahre wieder merkt die Musikszene auf, wenn Plattendealer Bulti seinen „Überschall“-Ladentresen an der Sielwallkreuzung verläßt, um Bremens zugkäftigstes Konzert progressiver Musik zu organisieren: Heute um 20 Uhr geht im Aladin das sechste „Überschall“-festival über die Bühne. Geschmackssicherheit und Wagemut zeichnen Bultis Credo seit jeher aus, und so soll es auch heute sein: Von „Nummer Sicher“ gibt es im Programm keine Spur.

Als Headliner hat die Überschallcrew einen wahrhaft dicken Fisch an Land gezogen – den Boo-Yaa-T.R.I.B.E.: Das Quartett aus Los Angeles weiß nicht nur musikalisch, wo die Wurst wächst. Neben der Fähigkeit, knallharte Hip Hop-Beats mit pfiffigen Versatzstücken melodisch zu gestalten und darüber hart und erschütternd unflätig zu rappen, zeichnet die wohlgenährten und wahrhaftigen Ex-Gangster vor allem ein Appetit aus, dem bestenfalls die Walrösser von Poison Idea etwas entgegenzusetzen haben. Die Büffetkräfte hinter der Bühne seien hiermit gewarnt.

Knallhart, innovativ und dazu beinah gitarrenfrei arbeiten Cop Shoot Cop. Statt der Sechssaitigen setzten die fünf New Yorker auf eine jener modernen Zauberkisten mit unbegrenzten Möglichkeiten: den Sampler. Mit dem Recorder stakst sein Herrchen Filer durch die Welt, nimmt Vogelgezwitscher, Autounfälle und dergleichen mehr auf, häckselt Soundschnipsel klein läßt sie in neuer Form aus dem Sampler tönen. Diese Soundbits sind die Basis für wuchtige Soundgewitter, zu denen sich auch noch irgendwie gut tanzen läßt. Irgendwo in der Grauzone zwischen diesen Subgenres der hohen Kunst des Lärmens ertönt mal eine (natürlich gesampelte) Kreissäge, die sich zufällig anhört wie ein Gitarrensolo, oder Filer läßt per Mikrochip die Einstürzenden Neubauten im Prozellanladen wüten.

Auch die Veteranen des Abends haben das dezidierte Lärmen nicht verlernt: Jesus Lizard. Als Trio mit Rhythmusmaschine nannten sie sich Scratch Acid, waren in den Achtzigern Vorreiter des rohen No-Kommerzrocks zwischen Krach und simpler, aber eindrucksvoller Melodik. Verstärkt mit einem Trommler aus Fleisch und Blut gehören die Vier aus Chicago immer noch zur Creme der amerikanischen Alternativ-Gitarrenwerker und gewinnen mit zunehmendem Alter immer noch an Differenziertheit.

Im Vorprogramm alte Bekannte: gerade mal drei Monate ist es her, daß Barkmarket im Wehrschloß wüteten – ein eigenbrötlerisches, manchmal unerträglich langsames Rock-Trio aus Brooklyn im Geiste der Melvins. Wer dort war, kann sich also Zeit lassen; für alle anderen beginnt Bremens Progressiv-Pflichtprogramm heute um 20 Uhr.

Lars Reppesgaard