Sanssouci
: Vorschlag

■ Collagen von Cornelia Schleime in der Gauck-Behörde

Die Gauck-Behörde, dieses Sammellager für papiergewordenes menschliches Versagen, für Denunziantentum und Niedertracht – ein Ort der Kunst? Noch dazu, wenn dort eine persönlich Betroffene in einer Ausstellung mit ihrer aktenförmigen Vergangenheit aufräumen will?

Zehn Jahre ist es her, daß die Künstlerin Cornelia Schleime von Ost- nach West-Berlin übersiedelte. Dem vorangegangen waren ein Studium der Malerei und Grafik in Dresden, Ausstellungsverbot, der Austritt aus dem Künstlerverband, und, vor allem, endlose Bespitzelungen durch Informelle Mitarbeiter der Staatssicherheit. 1992, ein Gesellschaftssystem später, kam dann für Cornelia Schleime endlich die Zeit, in ihren Akten zu stöbern. Was sie damals fand, wurde Ausgangspunkt einer Serie von Collagen, der sie den Titel „Bis auf weitere gute Zusammenarbeit, Nr. 7284/85“ gab.

Doch wer von der Künstlerin nun eine haßerfüllte Abrechnung mit ihren ehemaligen zweiten Schatten erwartet hat, den läßt Schleime ins Leere laufen. Mit Witz und Selbstironie hat sie sich ihrer Geschichte angenommen. Hat die einzelnen Aktennotizen seitenweise in großformatige Siebdrucke umgesetzt und mit fotografischen „Selbstinszenierungen“ kombiniert. Da gibt es zum Beispiel einen Vermerk aus dem Jahr 1983, in dem es heißt, daß sich „die Sch.“ in ihrer Umgebung „unauffällig bewegt“. Auf dem dazugehörigen Foto sieht man die Künstlerin auf einer Straße, wie sie mit einem rapunzelmäßigen Haarteil einen Kinderwagen hinter sich herzieht. Ein anderes Bild zeigt sie auf einer schneebedeckten Dachterrasse, mit Tisch, Stühlen und einer Stehlampe. Text: „Die Sch. hat sich in eine Art Selbstisolierung begeben, indem sie mit keinem der Nachbarn Kontakte unterhält.“

Schleime begegnet dem ihr widerfahrenen Schrecken, den Spitzeln und deren teilweise grotesk banalen Erkenntnissen aus „ihren“ Akten nicht mit Zorn, sondern tut das einzig Richtige: sie gibt ihre Peiniger der Lächerlichkeit preis. „Auslachen, freilachen, nicht weglachen“, hat jemand ins Besucherbuch geschrieben. So sei es.

Daß diese Ausstellung trotzdem zu einer Zumutung wird, hat andere Gründe: die lieblose Hängung in der Gauck-Behörde etwa. Wie so oft bei Ausstellungen, die in eigentlich nicht dafür vorgesehenen Räumlichkeiten veranstaltet werden, finden sich auch hier die Arbeiten an den unmöglichsten Plätzen. Der überwiegende Teil der Collagen hängt wie an einer schiefen Perlenschnur aufgereiht im Treppenhaus, drei einsame Überbleibsel in einem mit Stühlen vollgestellten Vortragssaal. Vielleicht hätte man den ausnahmsweise mal ganz freiräumen können? Ulrich Clewing

In diversen Lokalitäten der Gauck-Behörde. Am Molkenmarkt 1–3, Mitte, Mo.–Fr. 8–17 Uhr. Noch bis zum 30.9.