■ Diepgen ohne Kamera: Richtig klasse!
Familienvater Diepgen hatte sich im Urlaub auf Puttgarden genug fürs Familienalbum ablichten lassen. Da wollte er gestern, als er das erste Mal nach seiner Sommerpause ein Stelldichein mit den Rathausreportern gab, nicht auch noch Kameras und Mikrofone. Sie hätten sowieso nur gestört beim Erläutern der „wesentlichen Ziele der Senatspolitik im 2. Halbjahr 1994“. Für solch ein sensibles Thema braucht man einen „zwanglosen Rahmen“.
Ohne die blendenden Kameralampen der TV-Stationen kam der sonst so Zurückhaltende endlich einmal aus sich heraus. Ja, er lobte die Berliner – uns! – sogar, weil wir die „Sparzwänge“ mit „erstaunlicher Disziplin und großer Bereitwilligkeit“ hingenommen hätten. Da war es fast schon wieder schade, daß das Fernsehen das Lob nun nicht bringen kann. Und dann klopfte der Regierende auch einmal sich selbst voller Anerkennung auf die Schulter. Er habe zusammen mit seinen Senatoren und Senatorinnen „aus der finanziellen Notsituation Tugenden gemacht“ und eine „Konzeption für die Verwaltung der Zukunft“ erstellt. Bravo – nur: wieder keine Kamera. Und dann – ohne störende Spot-Lights – traute sich Diepgen an ganz heiße Eisen: Er erinnerte seinen Parteifreund Helmut Kohl (den Bundeskanzler!) daran, daß Bonn eine „Verantwortung gegenüber der Hauptstadt“ habe und deshalb im kommenden Jahr gefälligst 200 Millionen Mark nach Berlin zu schieben habe (die fehlen hier noch immer im Kulturetat). Hochachtung für soviel Mut! Und dann sagte er Bundesbauministerin Schwaetzer mal ganz ehrlich die Meinung, weil diese in den vergangenen Tagen das Verkehrskonzept für das Regierungsviertel madig machen wollte: „Es gibt einige, die da gerne schwaetzen.“
Ohne Kamera ist Diepgen richtig klasse. Dirk Wildt
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