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Mannheimer Skandalurteil

Es ehrt den Präsidenten des Mannheimer Landgerichts, daß wenigstens er sich glaubhaft bei denen entschuldigt hat, die durch die skandalöse Urteilsbegründung seiner Kollegen beleidigt worden sind.

Doch ist dieses Urteil mitnichten der „Ausreißer“, als welcher es nun ausgegeben wird. In der baden-württembergischen Strafjustiz war das Klima für eine solche Urteilsbegründung längst geschaffen.

Es waren schließlich baden- württembergische Strafverfolgungsbehörden, die insgesamt 19 Tage lang Zeit gefunden haben, gegen eine Frau zu verhandeln, deren „Verbrechen“ nach einer 1990 verfaßten Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Mosbach darin bestanden haben soll, als Zuhörerin in einer Gemeinderatssitzung halblaut „Das sind Nazimethoden!“ gesagt zu haben, als eine Rednerin Ersatz für die Wertminderung von Häusern für den Fall forderte, daß in das benachbarte Heim psychisch Behinderte einziehen (Die Ermordung Behinderter im Rahmen der Aktion T 4 war der erste Schritt auf dem Weg zur Judenvernichtung.)

Staatsanwälte und Richter, die dieses Verfahren maßgeblich betrieben und von Manipulationen der Ermittlungsakten zum Zwecke des Nachweises einer solchen Äußerung zumindest gewußt haben, sind bald danach befördert und wunschgemäß versetzt worden: der erste wurde Präsident des Landgerichts Mosbach, der zweite Vizepräsident des Landgerichts Baden-Baden, der dritte Vorsitzender Richter am Landgericht Karlsruhe, und der vierte wurde wunschgemäß aus Mosbach versetzt.

Da muß der baden-württembergische Justizminister Dr. Thomas Schäuble sich wirklich nicht mehr wundern, wenn ein Richter am Landgericht Mannheim wenige Jahre später seine Urteilsbegründung, in der er eine Ehrenerklärung für einen bundesweit bekannten Antisemiten und Neonazi abgibt, für so „in Ordnung“ befindet. Hans-Joachim Dohmeier,

Rechtsanwalt, Ludwigshafen

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