Die Truppe hält zusammen wie Pech und Schwefel

■ Fast immer ist es unmöglich, Polizisten Straftaten im Amt auch nachzuweisen

Es ist stets das gleiche Ritual. Jedesmal, wenn seine Mannen negative Schlagzeilen gemacht haben – und dies ist in letzter Zeit sehr häufig der Fall –, stellt sich Berlins Polizeioberhaupt Hagen Saberschinsky schützend vor seine Truppe: „In jedem großen Apparat gibt es schwarze Schafe“, sagte er, das sei aber noch lange kein Grund, alle Polizisten der Hauptstadt über einen Kamm zu scheren. Danach beteuert der Chef der 30.000 Mann starken Behörde aufs neue, daß die Polizei „in hohem Maße“ an der Aufklärung dieser „Einzelfälle" interessiert sei. „Es bedarf deshalb keiner mahnenden Stimme von außen.“

Die Arbeitsgemeinschaft Kritischer Polizisten mag indes nicht mehr von schwarzen Schafen sprechen. Für sie sind es mittlerweile „die schwarzen Herden in Berlin“. Der in der vergangenen Woche aufgedeckte Fall war nur noch das Tüpfelchen auf dem i: Zehn Beamte eines Zuges einer Kreuzberger Hundertschaft wurden wegen des Verdachts der Körperverletzung und Strafvereitelung im Amt vorläufig vom Dienst suspendiert. Ihre 20köpfige Einheit wurde aufgelöst. Die acht Polizisten und zwei Polizistinnen im Alter von 21 bis 36 Jahren stehen im Verdacht, drei Skinheads und einen rumänischen Zigarettenhändler mißhandelt zu haben. Bei einer Durchsuchung ihrer Wohnungen und Diensträume wurden mit Plastikschienen verstärkte Handschuhe und Tonfas, japanische Schlagstöcke, gefunden, die nicht zur Dienstausrüstung gehören. Außerdem fanden die Ermittler eine nicht bezifferte Anzahl unverzollter Zigaretten und einen Stoß nicht weitergeleiteter Polizeiprotokolle.

Vor versammelter Presse brüstete sich Polizeipräsident Saberschinsky damit, die Ermittlungen seien aus eigenem Antrieb eingeleitet worden. Dies sei der Beweis dafür, wie sehr die Polizei auf ihre Selbstreinigung bedacht sei. Einzelheiten über die Tatvorwürfe waren jedoch bis heute nicht zu erfahren. Der Umstand, daß Polizeispitze und Staatsanwaltschaft mit so wenigen Informationen an die Öffentlichkeit gingen, ließ den Berliner Tagesspiegel vermuten, sie wollten der Presse zuvorkommen, weil sie offenbar befürchteten, daß diese von dem Fall schon erfahren habe. Auch Springers Morgenpost hieb voll in die Tasten: Wenn sich bestätigen sollte, daß bei einigen Straftaten der Polizisten schon wieder Ausländerfeindlichkeit eine Rolle gespielt habe, „wäre vor allem international der Schaden für die Stadt unermeßlich“.

Wie es um die Selbstreinigungsbemühungen der Polizei bestellt ist, werden die nächsten Wochen zeigen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in 51 Fällen gegen Berliner Polizeibeamte wegen möglicher Übergriffe auf vietnamesische Zigarettenhändler. Im brandenburgischen Bernau wurden bereits acht Polizisten wegen ähnlicher Vorwürfe vom Dienst suspendiert. Die Entschlossenheit der dortigen Polizeispitze zur Aufklärung des Sachverhalts vermißt man in Berlin bislang schmerzlich. In Bernau ging sogleich eine achtköpfige Sonderkommission zu Werke, in der Hauptstadt wurden ganze zwei Beamte dafür freigestellt. Inzwischen sind die Ermittlungen in Berlin immerhin so weit gediehen, daß 20 der beschuldigten Polizisten namentlich bekannt sind. Vernommen wurden bislang aber nur ganz wenige, und auch Amtsenthebungen gab es noch keine. Ohne die Unterstützung einer Beratungsstelle für Vietnamesen, die der Kripo die Gedächtnisprotokolle der Geschädigten aushändigte, wäre wohl nie etwas unternommen worden.

Auch um den Bericht von amnesty international haben sich der Berliner Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) und der Polizeichef wenig geschert. Amnesty hatte registriert, daß in Berlin im vergangenen Jahr vermehrt Ausländer durch Polizisten mißhandelt worden seien. Den Brief mit der Bitte um Aufklärung hatte die Berliner Justizsenatorin laut amnesty mit dem Hinweis beantwortet, alle ausländerfeindlichen Übergriffe würden von den Behörden verfolgt. Was dabei am Ende herauskommt, verdeutlichen die Zahlen, mit denen der Polizeipräsident bei anderer Gelegenheit die weiße Weste seiner Mannen präsentierte. 1992 gab es in Berlin 591 Strafverfahren gegen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt. Davon wurden 572 von der Staatsanwaltschaft eingestellt, in 19 Fällen erkannten die Gerichte auf Freispruch.

Das aber sagt der Polizeichef nicht: Der Korpsgeist der Polizei verhindert, daß Beschuldigte auch nur namentlich ermittelt werden. Vor allem die Einsatzbereitschaften halten zusammen wie Pech und Schwefel. Plutonia Plarre