Schiffbruch? Volldampf voraus!

■ Statt Partei nimmt Kurs auf Castrop-Rauxel / Die SPD als letzter Rettungsanker

So ist das mit Schiffbrüchigen: Sie klammern. Mühen sich, die letzten Planken festzuhalten. Rufen sich gegenseitig Durchhalteparolen zu. Reden sich ein, daß das lecke Rettungsboot eigentlich doch ein ganz fescher Dampfer ist. Richten ihre Blicke hoffnungsvoll auf den Kapitän. Und der?

„Rauft sich die Haare und kichert, das können Sie schreiben.“ Markus Wegner gefällt sich in der Rolle desjenigen, der mit der Statt Partei eigentlich nicht mehr allzuviel zu tun hat. Gibt sich zutiefst genervt von dieser Wählergemeinschaft, die er selbst im vergangenen Jahr gegründet hat und die er in die Bürgerschaft, in die Regierungsverantwortung und schließlich in Richtung Bonn manövriert hat.

Schiffbruch. 97 der nach zahlreichen Austritten gerade noch 462 Hamburger Statt Parteimitglieder haben sich am Dienstagabend im Wilhelmsburger Bürgerhaus um ihren unwilligen Ex-Käpt'n geschart. Um nach den monatelangen Versuchen, sich selbst zu versenken, doch noch Ausschau zu halten nach dem rettenden Ufer.

Gleich zurück nach Hamburg? Weg von der zerstrittenen Bundespartei mit ihren Klagen, Drohanrufen, Hahnenkämpfen?

Oder doch erstmal nach Castrop-Rauxel? Wo sich die verfeindeten Parteiflügel um die beiden rivalisierenden Vorsitzenden Mike Bashford und Harald Kaiser am kommenden Wochenende wieder in die Arme fallen sollen?

„Wir haben die Spaltung überwunden! Ein Triumph der Vernunft!“ Bashfords gestelzter Jubel überzeugt kaum einen, genausowenig wie sein Vorschlag, die massiven Finanzprobleme der Wählergemeinschaft durch ein „Sonderopfer Bund“ – 60 Mark pro Mitglied – zu lösen.

Sie werden sich dennoch aufmachen nach Nordrhein-Westfalen. Weil man das Werk des „Heilsbringers, des neuen Propheten Markus Wegner“ sichern möchte. Um nicht länger zu verhindern, daß „Politik von Bürgern für Bürger“ bundesweit Erfolg hat. Ein Mitglied versteigt sich gar dazu, schon mal eine künftige Bonner Statt-Ministerliste anzupreisen.

Es gibt auch besonnenere Töne. „Aktiv und sehr rege“ müsse man die „weitere Entwicklung im Bund beeinflussen“, begründet der stellvertretende Hamburger Parteichef Carl-Edgar Jarchow seinen Kurs. Und teilt im gleichen Atemzug mit, woran dieser „letzte Versuch“ scheitern kann:

– Am designierten Bundesvorsitzenden Harald Kaiser, von dem man zwar wisse, daß er ein guter Organisator sei, den man aber „politisch nicht einschätzen könne“.

– An den von Kaiser veranschlagten Bundestags-Wahlkampfkosten von 1,5 Millionen Mark, „die nicht die bezahlen können, die gar nicht an der Wahl teilnehmen“. Wie der Hamburger Landesverband.

– An der sogenannten Wahlkampfplattform, die in Castrop-Rauxel verabschiedet werden soll, die aber bisher noch kein einziges Hamburger Mitglied zu Gesicht bekommen hat.

Und dann? Die Blicke im Wilhelmsburger Bürgerhaus richten sich erneut auf den Parteigründer. Wohin Käpt'n? Wohin?

Volldampf voraus in Richtung Bürgerschaftswahlen 1997. Markus Wegner lobt die rotgraue Regierung, „die gut für die Stadt ist“. Umgarnt den Bürgermeister, „der der richtige Bürgermeister“ ist. Klopft den Sozialdemokraten auf die Schulter, umschmeichelt deren GAL-Sympathisanten – „Wir machen nicht nur Politik im Sinne des rechten SPD-Flügels, sondern auch in Richtung links“.

Monatlich, so ergänzt der zweite Parteivize Thomas Gottfried, wolle man sich künftig mit dem rotgrün-verdächtigen Sozi-Chef Jörg Kuhbier treffen. „Um die Zusammenarbeit zu verbessern.“ Dessen rostroter Tanker, so das Statt-Kalkül, könnte sich schließlich auch langfristig recht gut eignen als Seenotrettungskreuzer.

Uli Exner