Hemmungsloser Datenmißbrauch

■ Interview mit Pro-Asyl-Sprecher Herbert Leuninger über den verfassungswidrigen Umgang deutscher Behörden mit persönlichen Daten von Flüchtlingen

taz: Herr Leuninger, die deutschen Geheimdienste haben quasi ungehinderten Zugang zu den persönlichen Daten von Flüchtlingen, die in der Bundesrepublik als politisch Verfolgte anerkannt werden möchten. Jetzt soll noch vor Ende der Legislaturperiode ein „Ausländerzentralregistergesetz“ (AZRG) verabschiedet werden, wonach diese Praxis legitimiert werden soll. Gilt der Datenschutz für Asylbewerber nicht?

Herbert Leuninger: Juristisch gesehen steht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung allen Bürgern zu. Faktisch aber wird dieses Grundrecht bei MigrantInnen und vor allem bei Flüchtlingen ignoriert. Die ungeheure Datenkonzentration im Kölner Ausländerzentralregister, das seit Jahrzehnten ohne gesetzliche Grundlage arbeitet, ist dafür nur ein Beispiel. Aus ihm können sich alle möglichen Behörden und Stellen bedienen. Mit Flüchtlingsdaten wird umgegangen wie mit Peanuts.

Welche Institutionen sind daran hauptsächlich beteiligt?

Die Ausländer- und Visabehörden, die Bundesanstalt für Arbeit, der Bundesgrenzschutz, das Zirndorfer Bundesamt für die Anerkennung von Flüchtlingen, das Bundeskriminalamt, die Staatsanwaltschaften der Oberlandesgerichte, die Verfassungsschutzbehörden usw. verfügen über eigene Datensammlungen – Inpol, Afis, Asylis, Asylon, Sis, Easy –, die sie an das Ausländerzentralregister übermitteln. „Befreundete“ ausländische Geheimdienste können sich aus diesen Datenbeständen über abgelehnte und zurückgewiesene, aber auch über anerkannte Asylbewerber ohne Skrupel bedienen. Hier ist überhaupt keine Grenze des Austausches. Das ist skandalös und verfassungswidrig.

Welche konkreten Folgen kann diese Praxis des Datenmißbrauchs für Flüchtlinge haben?

Die größte Gefahr geht letztlich von den Geheimdiensten aus. Sie benutzen die Daten weniger zur „Gefahrenabwehr“, sondern eher als zusätzliches Faustpfand für Geschäfte mit Drittstaaten. Etwa in dem Sinne: Gibst du mir meinen Spion zurück, bekommst du von mir die Daten deiner politischen Gegner, die in die Bundesrepublik geflüchtet sind. Die Zusammenarbeit der Geheimdienste kann so weit gehen, daß die verfolgenden Heimatbehörden bis in die Details, bis in die Krankengeschichten, Bescheid wissen. So wird den hiesigen Generalkonsulaten – ein aktuelles Beispiel ist dabei Algerien – bei anstehenden Abschiebungen neben Personaldaten ausdrücklich der Hinweis „Asylbewerber“ übermittelt.

Deutsche können den Schutz persönlicher Daten gerichtlich einklagen. Warum sollte sie interessieren, was Asylbewerbern widerfahren kann?

Wenn man das alles zusammennimmt, wird glasklar: Hier nähern wir uns dem Horrorsystem der absoluten Verdatung, Vernetzung und Manipulation von Menschen. Datenschutz ist ein Menschenrecht, das in Deutschland mit Füßen getreten wird, wenn Flüchtlinge die Betroffenen sind. Es ist deshalb allerhöchste Zeit, daß wir uns alle dagegen wehren. Interview: Franco Foraci