Aufschwung. Einheit. Autorität – Kohl

Der Bundeskanzler und der Bundesfinanzminister stellen in Bonn das Wahlprogramm der Christen-Union vor / Wolkige Ankündigungen und altbekannte Botschaften  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Diskutiert, erstellt und beschlossen. Mit diesen knappen Worten beschrieb Helmut Kohl gestern den Gang der Dinge in den Gremien von CDU und CSU, bis ein Programm steht, das in einem Wahlkampf nicht fehlen darf. Wo die SPD sich schier um den Verstand bringt, laufen in der Union die Räder wie geschmiert. Der Kraftaufwand der Vorstände ist vielleicht trotzdem noch höher als der Effekt. Denn das Gemeinschaftswerk spielt in der Wahlkampagne der Unionsparteien eine Nebenrolle. Für den Hauptdarsteller war es ein geeigneter Anlaß zum ersten Auftritt nach der Sommerpause. Helmut Kohl und Theo Waigel, rechts und links garniert von den Generalsekretären Hintze und Huber, präsentierten das Regierungsprogramm der Union.

Der Kanzler kennt und kann dergleichen: Wir sind und bleiben die Partei der deutschen Einheit. Jetzt wollen wir auch die wirtschaftliche und soziale Einheit erreichen. Die deutsche Wirtschaft ist im Aufschwung. Aber die Sicherheit des Standorts Deutschlands, und das heißt immer der Zukunft, bleibt auf der Tagesordnung. Wir wollen das soziale Netz erhalten, vor allem für die Familien. Aber der Sozialstaat muß sich auch auf neue Aufgaben vorbereiten. Natur und Umwelt. Wir wollen keinen autoritären Staat, aber einen Staat mit Autorität. Mehr Verantwortung in der Welt, alles andere setzt unsere Glaubwürdigkeit und Selbstachtung aufs Spiel. – Kohls Überblick über das Programm klingt entschieden gefälliger als die eigentümlichen „statt“- Überschriften (Deutschland modernisieren statt Zukunft blockieren, Ökologisch wirtschaften statt Wirtschaft strangulieren) des Textes. Doch ob so oder so: Die Botschaften sind alle längst bekannt. So folgen die Worte zum Stand der Wahlauseinandersetzung.

„Hochmotiviert“ findet Kohl seine Partei. Doch die soll ebenso wie der Koalitionspartner wissen: „Wir kämpfen um jede Stimme. Wir haben keine Stimme zu verleihen oder zu verschenken.“ Launig verbreitet sich der CDU-Vorsitzende über seine Erfahrungen mit Demoskopie und Umfragen, die die wirkliche Wahlentscheidung nie ersetzen könnten und deshalb beiseite gelegt werden sollten. Theo Waigel sagt später nachdrücklich: „Wir wollen die strategische Mehrheit in Bonn.“ Gegen die Union dürfe nicht regiert werden können. Und da reiche es nicht, wenn man bei 40 Prozent landet. „Wir kämpfen um mehr.“

Kohls Kollege von der CSU spielt auf dieser Veranstaltung im übrigen die Rolle des Schatzmeisters neben dem König. Und Theo Waigel bleibt dabei dem Prinzip des Programms treu, das Grundlegendes verspricht, aber auf Ausführungsbestimmungen verzichtet. Die Familie wollen Kohl, Waigel und das Regierungsprogramm stärken, doch wie der künftige Familienleistungsausgleich und die Steuerfreistellung des Existenzminimums aussehen sollen, bleibt späteren Klärungen vorbehalten. Letzteres hat das Verfassungsgericht übrigens 1992 angemahnt, mit wirksamen Regelungen bis spätestens zum Januar 1996. Kohl nach wiederholter Nachfrage zum Thema Familienleistungsausgleich: „Wir werden, wenn wir die Wählerstimmen gewonnen haben, genau prüfen, was wir tun können.“ Klar ist für Waigel indessen, daß die Kindergeldpläne der SPD nicht finanzierbar seien.

Die SPD übrigens wird vom Kanzler eher en passant kritisiert. Mit einem Satz schiebt Kohl die Vermutung von Günter Verheugen beiseite, die Plutoniumgeschichten der letzten Wochen röchen förmlich nach Inszenierung. Verheugen müsse doch Anhaltspunkte haben, wird der Kanzler gefragt. Kohl: „Verheugen? Das ist doch wirklich nichts Ungewöhnliches, daß er so etwas ohne Anhaltspunkte sagt.“

Richtig böse fallen nur die Volksfront-Vorwürfe aus. Es sei bisher selbstverständlich unter den demokratischen Parteien, daß man weder mit Faschisten, Neonazis noch mit Kommunisten gemeinsame Sache mache, sagt Kohl. „Das hat die SPD verraten, um ein Butterbrot.“ Fast wütend verweist Theo Waigel darauf, daß die CSU in den letzten fünf Jahren „nie und nirgends“ mit den „Republikanern“ Bündnisse eingegangen sei. Er könne die Strategie nicht akzeptieren: Schönhuber isolieren, mit Gysi poussieren.