Für „Politik ohne Bart“

■ Düsseldorfer Werbepapst gestaltet simulierte Wahlkampagnen mit StudentInnen simuliert uuuuu

Gestern war der Papst in Bremen. Zwölf JüngerInnen, StudentInnen der Kunsthochschulen in Stuttgart und Bremen im Gefolge, hielt er Audienz in der Bremischen Bürgerschaft. Michael Schirner heißt der göttliche Ideenschmieder, dessen Verkündigungen alle Welt schon lange aufsaugt wie Gebote: vorgestern trank der Werbedesigner noch „Jägermeister, weil ...“ und fragte die Menschen, ob das nicht „Pfanni“ sei. Gestern, im angemieteten Sitzungssaal der Bürgerschaft, klang sein Bekenntnis ernster: „Ich wähle die Partei zur Abschaffung des Todes“.

Da kommt man glatt ins Grübeln darüber, was das soll? Und begreift dann: Ihm kommt es auf die Idee an. Sie ist der Magnet, an dem wir WählerInnen kleben bleiben sollen. Wie Fliegen auf dem Klebeband, das nur lecker riecht aber nie Marmelade war.

„Direkte Demokratie für alle“, lautete seine Parole gestern vor laufenden Kameras, so ernst, als ginge seine seltsame Partei morgen zur Wahl. Und dann räsonnierte der Werbepapst zeitgeistliches: „Wir werden immer mehr Minderheiten, Mehrheiten sind kaum zu gewinnen“. Er jedenfalls sei für die Partei zur Abschaffung des Todes: „Der Tod, diese elende Schweinerei muß endlich abgeschafft werden.“ Und: „Wenn alles Geld, was für die Abschaffung des Lebens in Waffen und Kriegen ausgegeben wird, ins Leben investiert würden, könnten die Menschen 200 Jahre alt werden.“

Da war sie wieder, die gute Idee, auf die es in der Werbebranche ankommt. Aber niemand klatschte, niemand hielt sich die Ohren: Über den Einfall, der Welt zwölf neue Parteien anzubieten, wie Produkte einer neuen Palette, herrschte Schweigen. Das Amüsement über grafisch gut gestylte, light verdauliche Parteieninhalte blieb begrenzt. Bei diesem Spektakel wurde nicht nur die Werbung vorgeführt, auch die Presse bekam ihren Teil ab. Weil sie doch nur geladen waren, ihre Rolle von der Verkündigung wahrzunehmen. Die Botschaft war deutlich: Politik wird mit Ideen gemacht, die die Ideen von der Politik schon lange überholt haben.

Schließlich: wer hat schon von der Claudia-Partei gehört? Von der „TED“- oder von der „ALDI“-Partei? Noch niemand? Nun, das wird sich ändern, fast möchte man sagen: Das kann nur ein Irrtum sein. Denn die Abstimmung mit den Füßen hat schon lange begonnen, ein Drittel der BürgerInnen bleibt am Wahltag zuhause und frönt der eigenen Partei, ruft bei der TED-Umfrage von RTL an und wählt so jeden Tag auf's Neue. Sieht in Claudia Schiffer das Gute und Schöne in der Welt. „Für die Politik ohne Bart“ heißt folgerichtig der Slogan der Claudia-Partei. Oder wählt – „Lieber Aldi, als all die anderen“. Die bequemen Botschaften sind mächtiger als die Politik, Plakate mit Wiedererkennungswert und Slogans mit pfiffigem Schliff sind ihr überlegen. Die neue Politik muß verstehen: Sinn und Inhalt sind eins. Tausende von Pin-Brettern und Millionen von Plastik-Tüten können nicht irren. Sollten sie ernster genommen werden?

Die Antwort auf diese Frage gibt's erst im nächsten Jahr. Wenn dann Plakate von der Claudia-Partei an den Litfaßsäulen prangen, dann wissen wir: Diese Veranstaltung war mehr als eine freche Idee und echter als wir dachten.

Eva Rhode