■ Vom Nachttisch geräumt
: Mona Lisas Rätsel

Leonardo da Vincis Mona Lisa ist eines der berühmtesten Gemälde. Frank Zöllner hat ihm eine kleine Monographie gewidmet. Er war klug genug, sich nicht die großen Fragen nach den Gründen des Ruhms zu stellen. Er referiert, was die Forschung zusammengetragen hat über Maler und Modell. Man erfährt einiges über Lisa del Giocondo, über die Auftragsbedingungen des Porträts, über die Tradition, in der es steht. Auf knappem Raum wird auch der Leser, der nichts weiß über den Einfluß der flämischen Malerei auf die florentinische, schlau gemacht über diesen und andere Aspekte des berühmten Bildes.

Der Journalist amüsiert sich zu lesen, daß Giorgio Vasari, der Begründer der modernen Kunstgeschichte, da, wo er am konkretesten wird, am wenigsten weiß. Vasari beschrieb exakt, wie Leonardo die Augenbrauen der Gioconda gemalt hatte, ohne sie auch nur ein einziges Mal gesehen zu haben. Im 16. Jahrhundert verließ man sich noch selbstverständlich aufs Hörensagen. Die heutigen Vasaris halten sich an den kecken Spruch: Nur der Phantasielose recherchiert.

Im 20. Jahrhundert trat an die Stelle der Anekdote die Struktur. Frank Zöllners kleine Studie hält sich glücklicherweise meist fern von solchen verkrampften Bemühungen. Nur einmal reitet ihn die Hybris des Interpreten, alles mit allem verbinden zu wollen: „Die formalen Parallelen zwischen den Porträts von Lisa del Giocondo und Maddalena Doni spiegeln bestehende Verbindungen zwischen den entsprechenden Familien wider.“ Das ist natürlich Blödsinn.

Den Bemühungen Leonardos, auf standardisierte Attribute zu verzichten, widmet Frank Zöllner einige der interessantesten Seiten seines Buches. Die prinzipiell unsichtbare schöne Seele doch zu zeigen ist die vornehmste Aufgabe der Malerei. Ausdruck meint ja zunächst nichts anderes, als daß etwas von innen nach außen gestülpt wird. Der Maler hat die tugend- oder lasterhafte Seele des porträtierten Modells auszudrücken. Leonardos physiognomische Studien verfolgten kein anderes Ziel. Er steht damit gegen eine Tradition, die nicht daran glaubt, daß im Ausdruck ein Inneres sich darstelle oder doch darstellen ließe. Die Mona Lisa verdankt einen Großteil ihrer rätselhaften Faszination der Unentschiedenheit dieser Auseinandersetzung. So hat Zöllner doch ein wenig geholfen bei der Suche nach einer Antwort auf die Frage nach dem Lächeln der Mona Lisa.

Frank Zöllner: „Leonardo da Vincis Mona Lisa – Das Porträt der Lisa del Giocondo – Legende und Geschichte“. Fischer Kunststück, 86 Seiten, 37 schwarzweiße und 2 farbige Abbildungen, Broschur, 18,90 DM