Den Konflikt immer wieder schüren

■ Spannungen zwischen Hindus und Muslimen in Indien / Muslimisches Seminar besetzt / Wahlkampf und Hetze

Neu-Delhi (AFP) – Ein muslimisches Seminar im südindischen Hubli wird seit Tagen von fanatisierten Hindus belagert. Seit Beginn der Auseinandersetzungen um das Seminar starben bereits sieben Menschen.

Beobachter füchten ein zweites Babri – nach der Zerstörung der Babri-Moschee von Ayodya durch einen aufgestachelten Hindu-Mob 1992 waren über tausend Menschen bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Hindus, Muslims und Sicherheitskräften ums Leben gekommen. Zusätzlich angeheizt wurde der Konflikt am Donnerstag, als im 475 Kilometer entfernten Bombay ein führender Hindu-Politiker getötet wurde.

Begonnen hat alles am indischen Unabhängigkeitstag am 15. August. Tausende Hindu-Aktivisten wollten die muslimische Schule stürmen und auf dem Gebäude die Nationalflagge hissen. Die Fanatiker konnten von der Polizei nur mit Schüssen in die Menge aufgehalten werden, fünf Menschen wurden getötet. Vier Tage später eskalierte die Gewalt erneut: Ein in Panik geratener Polizist erschoß eine Frau, als sein Auto von aufgebrachten Menschen umkreist wurde.

Vergangenen Sonntag dann griffen die Auseinandersetzungen auf die Nachbarstadt Badravati über. Bei Zusammenstößen zwischen Hindus und Muslims während einer muslimischen Prozession wurde ein Mann erschossen. Und am Donnerstag starb der führende Hindu-Politiker Ramdas Nayak in Bombay, nachdem ein Anschlag auf ihn verübt wurde. Der örtliche Vorsitzende der Bharatiya Janata Partei (BJP), die ein „Indien den Hindus“ propagiert, war von zwei unbekannten Männern vor seinem Haus niedergeschossen worden. Die BJP machte sofort Muslims dafür verantwortlich und schürte so weiter den seit Jahren in Indien schwelenden Konflikt zwischen Hindus und Muslims.

Auch die Belagerung des muslimischen Seminars in Hubli ist auf einen Aufruf der BJP zurückzuführen. „Es darf nicht einen Quadratmeter Land geben, auf dem nicht die indische Flagge wehen kann – vor allem nicht am indischen Unabhängigkeitstag“, lautete der Slogan der BJP.

Besondere Bedeutung bekommen die Vorfälle um die religiöse Schule dadurch, daß Hubli im Bundesstaat Karnataka liegt. Und in diesem soll im November gewählt worden. Die regierende Kongreßpartei von Premierminister Narasimha Rao sieht in den Aufrufen der BJP deshalb vor allem den Versuch, Stimmung im Wahlkampf zum machen.

Dieser Vorwurf wird von der BJP natürlich zurückgewiesen. Allerdings scheute Parteichef Lal Krishna Advani auch nicht den öffentlichen Vergleich mit der Babri- Moschee. Diese war am 6. Dezember 1992 von fanatischen Hindus zertört worden, weil sie angeblich auf den Ruinen eines abgerissenen Hindu-Tempels erbaut worden war. Bei landesweiten Auseinandersetzungen starben daraufhin mindestens 1.150 Menschen.

Ähnliche Auswirkungen befürchten Beobachter jetzt auch beim Streit um das Seminar in Hubli. Nachdem der erste Ansturm auf die muslimische Einrichtung von den Polizisten abgewehrt wurde, kündigte BJP-Sprecherin Sushma Swaraj an: „Wir werden so lange kämpfen, bis die indische Fahne über dem muslimischen Gebäude im Wind flattert.“